Gedanken zum Evangelium am Dreifaltigkeitssonntag, den 26.5.2024
Von Friedrich II. von Preußen (1712-1786) stammt das Wort: „Jeder soll nach seiner eigenen Fasson selig werden.“ Damit hat er sich für Toleranz in Sachen Religion ausgesprochen. Viele sind heute seiner Ansicht und lehnen den Gedanken der Mission ab. Das Wort „Mission“ hat für sie einen üblen Beigeschmack. Es klingt nach Vereinnahmung, Propaganda, Zwangsbeglückung. Eine Reihe von Schlagwörtern kommen einem in den Sinn: Religionskriege, Inquisition, Kolonialismus, Intoleranz. Früher ging von Europa eine weltweite christliche Mission aus, sodass heute das Christentum mit all seinen Gruppierungen die zahlenstärkste Religion auf Erden ist, gleich gefolgt vom Islam, der zur Zeit in vielen Teilen der Welt in einer starken Wachstumsoffensive ist. Ob wir es wollen oder nicht: Das Thema Mission lässt sich nicht umgehen. Es betrifft uns alle, auch wenn wir persönlich eher der Ansicht von Friedrich dem Preußenkönig zuneigen.
Ich persönlich halte Mission für ein wesentliches Element jeder Gesellschaft. Das beginnt schon in ihrer Urzelle, der Familie. Eltern haben Überzeugungen, aus denen heraus sie leben. Diese geben sie ihren Kindern weiter: Sprache, Kultur, Religion, persönliche Ansichten. Das hat nichts mit Intoleranz zu tun. So läuft die Erziehung in jeder Familie, so auch die Verbreitung der Religion oder auch der Religionslosigkeit. Das Christentum wird vor allem durch die Familie weitergegeben, und ebenso der Islam oder alle anderen Religionen.
Doch gibt es auch einen anderen Weg, wie „Mission“ vor sich geht. Dieser Weg wird bei uns immer häufiger. Es war die Art und Weise, wie das Christentum sich am Anfang verbreitet hat, und sie entspricht dem, wie Jesus selber den „Missionsauftrag“ gegeben hat. Im heutigen Evangelium steht dafür ein eigenartiges Zeitwort: Die Jünger Jesu sollen andere „zu Jüngern machen“. Das, was sie mit Jesus erlebt haben, sollen sie anderen ermöglichen: seine Jünger zu werden. Das griechische Wort, das hier im Evangelium steht, bedeutet „Schüler“, „Lehrling“. Ein Jünger ist jemand, der bei einem Meister in die Lehre gegangen ist und nun das Erlernte weitergeben kann. Dazu gehört nicht nur Wissen und Können, sondern auch eine Lebensweise und Lebensweisheit, die man vom Meister mitbekommen hat.
„Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern!“ Das ist der Missionsauftrag Jesu. Die Jünger Jesu sind nicht in ihre Beziehung zu Jesus hineingeboren worden. Sie waren alle Juden, kamen aus jüdischen Familien und lebten ihre jüdische Religion. Etwas Neues trat in ihr Leben, als Jesus sie rief, mit ihm zu kommen und seine „Lehrlinge“ zu werden. Dazu mussten sie ihre Familien und ihren Beruf verlassen und sich ihm und seiner Lebensweise ganz anschließen. Das ging natürlich nur freiwillig. Vermutlich stieß ihre Entscheidung, mit Jesus zu gehen, auf einigen Widerstand in ihren Familien und in ihrem Freundeskreis. So entstand auf jeden Fall die Bewegung Jesu. Schon bald nach seinem Tod und der Erfahrung seiner Auferstehung nannte man die Anhänger Jesu „Christen“, die, für die Jesus der Christus, der Messias ist.
Seit damals und bis heute gibt es in etwa zwei Arten, wie die christliche „Mission“ geschieht: Menschen, die Jünger Jesu geworden sind, geben ihren Glauben, den sie persönlich angenommen haben, ihren Kindern weiter, die sich dann selber entscheiden, ob sie diesen Glauben ihrerseits persönlich für ihr Leben übernehmen. Auch die andere Art der Mission ist bis heute lebendig: Menschen machen eine Erfahrung, die der der ersten Jünger Jesu ähnlich ist: Sie spüren eine Art Ruf Jesu, ihm zu folgen. Dieser Ruf reißt sie heraus aus ihren bisherigen Lebensbahnen. Sie werden bewusst Christen. Sie waren vorher religionslos oder Mitglieder einer anderen Religion. Sie lassen sich taufen und nehmen den christlichen Glauben aus freier Überzeugung an. Dieser zweite Weg der „Mission“ wird bei uns immer häufiger. Wie am Anfang stößt er auch heute oft auf Widerstände. In manchen Ländern ist die Konversion zum Christentum sogar streng verboten. Sie haben noch nichts von der Religionsfreiheit gehört, vom Spruch des Preußenkönigs Friedrich.
Mt 28, 16-20
In jener Zeit gingen die elf Jünger nach Galiläa auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder, einige aber hatten Zweifel. Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.