Wem Jesus „in Fleisch und Blut“ übergegangen ist, der „wird leben in Ewigkeit“. Diese Worte geben unserem Denken und Fühlen ordentlich zum Kauen! Sie können uns kräftig nähren!
Wem Jesus „in Fleisch und Blut“ übergegangen ist, der „wird leben in Ewigkeit“. Diese Worte geben unserem Denken und Fühlen ordentlich zum Kauen! Sie können uns kräftig nähren!
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 18. August 2024
Kein Wunder, dass die Zuhörer Jesu schockiert waren über das, was er ihnen in der Synagoge von Kapharnaum zumutete: „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.“ Jeder normal Denkende muss an einem solchen Wort Anstoß nehmen. Es bleibt einem im Hals stecken. „Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?“ Statt die Leute zu beruhigen, statt seine Worte abzuschwächen, verschärft Jesus sie bis ins Unerträgliche: „Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.“ Als wäre das noch nicht genug, legt Jesus nach: „Wer mein Fleisch isst (wörtlich: beißt, kaut) und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm.“ Es überrascht nicht, dass die Leute nach dieser Rede ihn scharenweise verlassen werden. Zuviel ist zuviel!
Und doch ist eben dieses Zuviel der Mittelpunkt dessen, was weltweit Christen tun, wenn sie die Kommunion empfangen, das Herzstück der Feier, die wir „die heilige Messe“ nennen. Das kleine, dünne Stück Brot, die Hostie, gilt als „der Leib Christi“. Wer sie empfängt, sagt „Amen“, das heißt: „Ja, so ist es“, dazu sage ich „mein Ja und Amen“. Betreiben Christen eine Art „Menschenfresserei“, wenn sie „den Leib Christi“ essen? Im Alten Rom hat man die Christen als „Anthropophagen“, als Menschenfresser verspottet: Sie essen ihren Gott, ihren Jesus! Ist das so falsch? Hat Jesus nicht selber dazu eingeladen?
Ich versuche, einen Zugang zum christlichen „Jesus-Essen“ über unsere Alltagssprache zu finden. Ich stelle fest, dass hier ein reicher Schatz an Lebenserfahrung bereitliegt. Leben hat ganz entscheidend mit Essen und Trinken zu tun, für den Erhalt des Leibes, aber auch für das menschliche Miteinander. Es geht Jesus offensichtlich darum, dass wir mit ihm und untereinander verbunden bleiben. Wenn Menschen nicht mehr miteinander zu Tisch sitzen, gemeinsam essen und trinken, dann hört sich bald alles andere auf. Der Haussegen hängt schief, wenn er zu ihr sagt: „Ich habe dich satt!“ Vielleicht hat er ihr am Anfang ihrer Liebe noch gesagt: „Ich habe dich zum Fressen lieb.“ Er konnte ihr sagen: „Es ist mir ein Genuss, mit dir zu sein!“ Und wenn sie sich einander geschenkt haben, dann galt von ihnen das Wort, das auf den ersten Seiten der Bibel steht: „Und die beiden werden ein Fleisch sein.“ Jetzt sagt er zu ihr: „Du bist einfach ungenießbar! Du liegst mir im Magen!“ Vielleicht hungert sie noch nach seiner Liebe, verkümmert neben ihm, dürstet nach Zeichen der Aufmerksamkeit.
Wenn die Partnerschaft gelingt, wenn die gegenseitige Wertschätzung frisch und lebendig geblieben ist, dann ist sie beiden „in Fleisch und Blut übergegangen“. Die Liebe will leiblich sein, den Menschen ganz erfüllen, Leib und Seele, sodass beide „ein Herz und eine Seele“ werden.
Eine solche Beziehung will Jesus mit uns eingehen. Er will, dass wir uns sein Wort, seinen Geist „einverleiben“. Jesus sagt, dass er ganz durch Gott seinen Vater lebt. Ebenso „wird jeder, der mich isst, durch mich leben.“ Das Brot, das wir zum täglichen Leben brauchen, kann uns nicht davor bewahren, dass wir einmal sterben müssen. Wem Jesus „in Fleisch und Blut“ übergegangen ist, der „wird leben in Ewigkeit“. Diese Worte geben unserem Denken und Fühlen ordentlich zum Kauen! Sie können uns kräftig nähren!