Ein Leben lang versuchen wir die verschiedensten Dinge, wir probieren dies und das. „Learning by doing“, sagt man heute: Wir lernen, indem wir die Dinge tun. Dabei stoßen wir an Grenzen. Sie lehren uns, dass nicht alles möglich ist.
Ein Leben lang versuchen wir die verschiedensten Dinge, wir probieren dies und das. „Learning by doing“, sagt man heute: Wir lernen, indem wir die Dinge tun. Dabei stoßen wir an Grenzen. Sie lehren uns, dass nicht alles möglich ist.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 9. März 2025
Versuchungen gehören zum Leben. Doch woher kommen sie? Das heutige Evangelium zum ersten Fastensonntag handelt von den Versuchungen, denen Jesus ausgesetzt war, als er vierzig Tage in der Wüste fastete. Jesus war Mensch und kannte deshalb wie wir alle die Versuchungen. Ich will versuchen, darüber ein wenig nachzudenken.
Ein Leben lang versuchen wir die verschiedensten Dinge, wir probieren dies und das. „Learning by doing“, sagt man heute: Wir lernen, indem wir die Dinge tun. Dabei stoßen wir an Grenzen. Sie lehren uns, dass nicht alles möglich ist. Die Wirklichkeit entspricht nicht einfach unseren Wünschen. Da kann es sein, dass wir die Versuchung spüren, uns über diese Grenzen hinwegzusetzen. Schon Kinder testen, wie weit sie gehen können, bis die Eltern sagen: Das darfst du nicht! Die Gebote Gottes oder die des Staates setzen uns Grenzen. Auch unsere eigene Vernunft erinnert uns an sie: Du schadest dir selber, wenn du die Grenzen überschreitest. Wir wissen genau, dass wir im Essen und Trinken, beim Autofahren oder in wirtschaftlichen Wagnissen den Versuchungen widerstehen sollten. Warum fallen wir trotzdem so oft auf die kleinen und leider auch größeren Versuchungen herein?
Wer versucht uns da? Im heutigen Evangelium ist es klar: Jesus „wurde vom Teufel versucht“. Warum bitten wir dann Gott im „Vaterunser“: „und führe uns nicht in Versuchung“? Ist Gott die Ursache unserer Versuchungen? Schon der Apostel Jakobus sagt dagegen: „Keiner, der in Versuchung gerät, soll sagen: Ich werde von Gott in Versuchung geführt. Denn Gott führt selbst niemanden in Versuchung“. Wo also liegt die Ursache der Versuchungen? Jakobus sieht das sehr einfach und klar: „Jeder wird von seiner eigenen Begierde in Versuchung geführt, die ihn lockt und fängt.“ Doch ist es wirklich so einfach und klar?
Eines dürfte klar sein: Gott lässt zu, dass wir versucht werden, sonst hätte er uns nicht die Freiheit geben dürfen. Eine Maschine kennt keine Versuchung. Sie kann nur Pannen haben. Gott will uns nicht zum Guten zwingen. Ich verstehe die umstrittene „Vaterunser“-Bitte so: Gott, lass nicht zu, dass ich in Situationen gerate, in denen ich zu schwach bin, einer Versuchung zu widerstehen! Denn wenn ich der Versuchung zu nahe komme, zieht sie mich in ihren Sog hinein. Oscar Wilde, der englische Schriftsteller, sagt humorvoll, aber auch bitter: „Ich kann allem widerstehen, nur nicht der Versuchung“. Warum also lässt Gott zu, dass ich so sehr den Versuchungen ausgesetzt bin?
Die Erfahrung, dass ich der Versuchung nicht widerstehen konnte, ist demütigend. Ich halte mich für stark und werde doch schwach, für besser und bin es nicht. Die größte Versuchung wäre es, mich deshalb für verloren zu halten und erst gar nicht mehr zu versuchen, wieder aufzustehen und weiterzugehen. Mein Scheitern in der Versuchung kann mich zu mehr Selbsterkenntnis und zu größerem Verständnis für die Schwächen der anderen führen. Vor allem aber kann es mich neu und tiefer zu Gott bringen. Jesus ist vom Teufel in die schlimmste Versuchung geführt worden: Gott zu versuchen. Die drei Versuchungen in der Wüste haben eines gemeinsam: Jesus soll sein Gottsein missbrauchen für seine eigene Verherrlichung. Er bleibt fest in seinem Gottvertrauen verankert. Uns, die wir schwach werden, will er in diesem Vertrauen stark machen.
Lukas 4,1-13
In jener Zeit kehrte Jesus, erfüllt vom Heiligen Geist, vom Jordan zurück. Er wurde vom Geist in der Wüste umhergeführt, vierzig Tage lang, und er wurde vom Teufel versucht. In jenen Tagen aß er nichts; als sie aber vorüber waren, hungerte ihn. Da sagte der Teufel zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden. Jesus antwortete ihm: Es steht geschrieben: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Da führte ihn der Teufel hinauf und zeigte ihm in einem Augenblick alle Reiche des Erdkreises. Und er sagte zu ihm: All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben; denn sie sind mir überlassen und ich gebe sie, wem ich will. Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören. Jesus antwortete ihm: Es steht geschrieben: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen. Darauf führte ihn der Teufel nach Jerusalem, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich von hier hinab; denn es steht geschrieben: Seinen Engeln befiehlt er deinetwegen, dich zu behüten; und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. Da antwortete ihm Jesus: Es ist gesagt: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen. Nach diesen Versuchungen ließ der Teufel bis zur bestimmten Zeit von ihm ab.
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