Lass mich im Herzen erfassen, wie barmherzig du mit mir bist.
Lass mich im Herzen erfassen, wie barmherzig du mit mir bist.
Evangelienkommentar von Kardinal Christoph Schönborn zum Sonntag, 7.10.2001
(Lk 17, 5-10)
Stärke unseren Glauben
Stärke unseren Glaubens - so bitten die Apostel Jesus, Davor hatte Jesus ihnen gesagt, sie sollen bereit sein, zu verzeihen, sogar siebenmal am Tag, wenn der andere sich siebenmal verfehlt hat und immer wieder verspricht, sich zu ändern.
Um zu vergeben brauchen wir einen starken Glauben. Die Apostel haben gespürt, wie klein und schwach ihr Glaube ist, und deshalb bitten sie Jesus: “Stärke unseren Glauben”. Verzeihen fällt schwer, es kann oft furchtbar schwer sein. Uns Heimatvertriebenen wurde viel Leid zugefügt. Wie schwer fällt es heute noch, nach so vielen Jahren, zu verzeihen! Herr, stärke unseren Glauben! Lass mich daran denken, wieviel du mir jeden Tag verzeihst, wie oft ich dir gegenüber nachlässig und lieblos bin. Lass mich im Herzen erfassen, wie barmherzig du mit mir bist. Dann wird mein Glaube stark genug sein, auch meinem Mitmenschen zu verzeihen und nicht so hart mit ihm zu sein!
Senfkorn Glaube
Mein Glaube kommt mir so klein und schwach vor. Bei jeder Schwierigkeit beginne ich zu zweifeln, verliere mein Vertrauen auf Gott. Gleich glaube ich, Gott hat mich vergessen, ist weit weg und läßt mich hängen. Warum ist mein Glaube so schwach? Jesus gibt als Antwort ein Bild: Winzig klein ist das Senfkorn. Hättet ihr nur so ein winziges “Eutzerl” Glauben, ihr könntet Unmögliches möglich machen - einen Baum ins Meer verpflanzen oder Berge versetzen.
Aber ich habe doch ein bißchen Glauben! So möchten wir protestieren. Bißchen etwas glaube ich doch! Wer ist schon ganz und gar ohne einen Glauben! Gewiß, irgendwie und irgendwas glauben wir schon. Aber ist das der Glaube, von dem Jesus spricht? Haben wir von diesem Glauben wenigstens ein Körnchen? Welchen Glauben meint Jesus?
Wenn ich nur auf mich selber schaue, dann bin ich leicht verzagt und mutlos. Wenn ich nur auf mich selber schaue, dann bin ich leicht überheblich und eingebildet. Und oft schwanken wir zwischen beidem: Selbstüberschätzung und Mutlosigkeit; Anmaßung und Hilflosigkeit. Beide Haltungen schauen nur auf die eigenen Kräfte, die uns manchmal viel zu klein erscheinen und die wir dann wieder für größer halten, als sie sind.
Gott vertrauen
Der Glaube vertraut auf Gott, setzt auf Gott, schaut auf Gott. Der Glaube läßt sich nicht von der eigenen Mutlosigkeit niederschlagen, wenn es schlecht geht; er wird nicht überheblich, wenn es gut geht und alles gelingt. Wenn ihr nur ein bißchen Vertrauen in mich habt, sagt Jesus, so klein wie ein Senfkorn, dann werdet ihr erfahren, dass ich wirklich bei euch bin. Gottvertrauen haben, das heißt Glauben haben.
Aber Jesus zeigt auch noch einen Weg, wie wir dieses Gottvertrauen stärken können. Wie oft tut er es mit einem fast schockierenden Bild: Der Sklave, der von der schweren Arbeit heimkehrt, muß gleich weiterarbeiten und seinen Herrn bedienen. So war damals das Sklavenlos. So ist es heute noch allzu oft. Jesus nimmt das als Bild für den Glauben: Nimm dich nicht so wichtig, wenn du alles mögliche geleistet hast. Klopf dir nicht auf die Schultern, sondern sag einfach: Ich bin ein unnützer Knecht, der nur seine Pflicht getan hat”. Wenn du in dieser Haltung lebst, wird Erfolg dich nicht eitel und stolz machen, und Schwierigkeiten werden dich nicht niederdrücken. Denn dein Vertrauen setzt du auf Gott. Das nennen wir: Glauben haben!
Von der Macht des Glaubens
Die Apostel baten den Herrn: Stärke unseren Glauben!
Der Herr erwiderte: Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, würdet ihr zu dem Maulbeerbaum hier sagen: Heb dich samt deinen Wurzeln aus dem Boden und verpflanz dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen.
Das Gleichnis vom unnützen Sklaven
Wenn einer von euch einen Sklaven hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Nimm gleich Platz zum Essen?
Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich und bediene mich; wenn ich gegessen und getrunken habe, kannst auch du essen und trinken.
Bedankt er sich etwa bei dem Sklaven, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde?
So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.