Du sollst an deine eigenen Brust klopfen und erkennen
Du sollst an deine eigenen Brust klopfen und erkennen
Evangelienkommentar zum 30. Sonntag im Jahreskreis
28. Oktober 2001
(Lk 18, 9-14)
Der Pharisäer und der Zöllner: dieses Gleichnis Jesu ist so bekannt, dass es fast sprichwörtlich geworden ist. In unseren Ohren klingt “Pharisäer” positiv, “Zöllner” negativ. Bei den Zuhörern Jesu war es genau umgekehrt: die Zöllner waren verachtet und verhasst, die Pharisäer geachtet. Sie waren fromm und eifrig, sozusagen “Praktizierende”. Und so stellt Jesus den im Tempel betenden Pharisäer auch dar: er ist kein Räuber, Betrüger, er hält die eheliche Treue, er fastet viel mehr als vorgeschrieben ist, und er zahlt zehn Mal so viel “Kirchensteuer” als es etwa bei uns in Österreich üblich ist, nicht 1,1 Prozent des versteuerten Einkommens, sondern den “Zehent”, also ganze 10 Prozent. Und noch dazu dankt er Gott dafür, dass es ihm so gut gelingt, ein Frommer zu sein.
Der Zöllner dagegen hat all das nicht vorzuweisen. Er ist zu Recht über sein Leben verzweifelt, denn er hat so viel Unrecht getan, dass er es niemals wieder gut machen könnte, selbst wenn er wollte: wie viele Arme hat er als “Steuerpächter” - das waren die Zöllner - “ausgenommen”, unterdrückt und geschunden, um die Steuern und Zölle herauszupressen! Nur zu verständlich ist die Verachtung des Frommen für den Zöllner, gehört er doch vielleicht selber zu seinen Opfern.
Und doch sagt Jesus, der Zöllner sei gerechtfertigt heimgegangen, der Fromme nicht. Warum diese Umwertung? Kurz gesagt: Weil Selbstgerechtigkeit noch nicht vor Gott gerecht macht. Weil es nicht genug ist, alle die eigenen guten Taten und Leistungen aufzuzählen. Wenn das dazu führt, die anderen zu verachten, ist bereits in all den guten Früchten der Wurm. Nicht die guten Taten sind zu verachten, sondern das Verachten der anderen. Der Pharisäer vergleicht sich mit den anderen und will dabei besser dastehen. Wie leicht stelle ich meine eigenen Taten in günstigeres Licht und die der anderen in ungünstiges. So werde ich selbstzufrieden und überheblich, und täusche mich gewaltig über all den Unrat, den es in den Winkeln meines Herzens gibt.
Der Pharisäer braucht im Grunde nichts von Gott, er hat schon alles, und so kann ihm Gott nichts mehr geben. Der Zöllner erkennt nüchtern und bekennt erschüttert, dass er sich nicht nur vor den Menschen, sondern auch vor sich selber und vor Gott schämen muss. Und deshalb erfleht er von Gott, was niemand anderer ihm geben kann: “Gott, sei mir Sünder gnädig”.
Gott verachtet nicht ein zerschlagenes Herz, heißt es in einem Psalm. Aber ein Herz, das die anderen verachtet und voller Selbstgefälligkeit ist, das findet nicht zu Ihm, in dem hat Er keinen Platz.
Es ist gut, fromm zu sein, in die Kirche zu gehen, Opfer zu bringen. Es ist übel, deswegen die zu verachten, die es nicht tun, aus welchen Gründen auch immer. Es ist aber ebenfalls übel, sich sozusagen als “Zöllner” gut vorzukommen, weil man nicht zur Kirche geht und nicht die Kirchensteuer zahlt, und auf die herabzuschauen, die es tun, und sie als Heuchler und Frömmler abzutun. Du sollst überhaupt niemanden verachten, du sollst an deine eigenen Brust klopfen und erkennen, wie sehr du auf einen gnädigen Gott angewiesen bist!
Das Beispiel vom Pharisäer und vom Zöllner
Einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, erzählte Jesus dieses Beispiel:
Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe dem Tempel den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.
Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!
Ich sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden