Kann man sich einen König so vorstellen?
Kann man sich einen König so vorstellen?
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn für den Christkönigssonntag,
25.11.2001 (Lk 23, 35-43)
Pilatus hat es wohl als Spott gemeint, als er über Jesus am Kreuz die Inschrift anbringen ließ: “Das ist der König der Juden”.
Kann man sich einen König so vorstellen?
Christkönigssonntag wird dieser letzte Sonntag im Kirchenjahr genannt. Am nächsten Sonntag beginnt bereits mit dem Advent ein neues Kirchenjahr.
Die Zeit der Könige scheint vorbei zu sein. Es gibt sie kaum mehr, und wenn, dann haben sie nicht viel zu sagen. Und doch glaube ich, dass das Bild vom König nicht überholt ist. Es findet auch heute ein Echo in der Seele. Es spricht an, obwohl es kaum mehr Könige gibt. Die Psychologie spricht von einem Archetyp, einem “Urbild” der Seele. König, das bedeutet etwas Prächtiges, aber auch etwas Bergendes; etwas Majestätisches, aber auch etwas Beschützendes. So wurde wohl in den Ländern der Monarchie der alte Kaiser Franz Josef erlebt und verehrt.
Aber ein König am Kreuz, das ist unvorstellbar. Das paßt nicht zusammen. Unvorstellbar grausam ist die Todesqual der Kreuzigung, die leider heute noch in manchen Ländern vorkommt. Unvorstellbar unmenschlich ist es aber auch, dass da Leute sind, die diesem schrecklichen Schauspiel zusehen, die neugierig gaffen und sich auch noch über den Gekreuzigten lustig machen. Selbst einer der Mitgekreuzigten lästert in seiner verzweifelten Qual: Wenn du schon der bist, der du behauptest, dann hilf dir und uns.
Es ist erschütternd zu sehen, dass wir Menschen zu soviel Hartherzigkeit fähig sind. Da leidet einer Todesqualen und rundherum nur Spott und Lästern: “die führenden Männer des Volkes”, die Soldaten, einer der beiden Verbrecher; hat denn keiner Mitleid mit Jesus? Selbst wenn man findet, er sei ein Spinner oder Träumer, der sich selber für den Sohn Gottes und den König der Juden hielt, müßte ein halbwegs menschliches Herz doch Mitleid fühlen angesichts der Tortur am Kreuz.
Einer wenigstens ist anders. Ihn hat Jesus berührt, neben dem er ebenso qualvoll am Kreuz hängt. Im Volksmund wird er “der rechte Schächer” genannt, ein Verbrecher, der wohl selber viel am Kerbholz hat. Trotz allem, was er angestellt hat, ist sein Herz nicht ganz zu. Er erkennt, dass der mit ihm und seinem “Kollegen” Gekreuzigte anders ist. “Uns geschieht recht”, dieser aber hat kein Unrecht getan.
Dismas soll nach einer alten Legende dieser reuige Verbrecher geheißen haben.
“Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst”. Für ihn ist Jesus wirklich der König, dem er sich anvertrauen kann. “Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein”, verspricht ihm Jesus. Auf den Ikonen der Ostkirche sieht man oft am Himmelstor nicht den heiligen Petrus stehen, sondern den “rechten Schächer”. Er ging ja als erster hinein, gleich mit Jesus selbst.
Ein Verbrecher - der Erste im Paradies?
Die Leute standen dabei und schauten zu; auch die führenden Männer des Volkes verlachten ihn und sagten: Anderen hat er geholfen, nun soll er sich selbst helfen, wenn er der erwählte Messias Gottes ist.
Auch die Soldaten verspotteten ihn; sie traten vor ihn hin, reichten ihm Essig und sagten: Wenn du der König der Juden bist, dann hilf dir selbst!
Über ihm war eine Tafel angebracht; auf ihr stand: Das ist der König der Juden.
Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Messias? Dann hilf dir selbst und auch uns!
Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.
Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.