Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand
Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn zum 1. Advent,
Sonntag, 2.12.2001; (Mt 24, 29-44)
Advent heißt Ankunft. Adventzeit ist Vorbereitung auf eine Ankunft. Aber nicht Weihnachten, das Fest der Geburt Jesu Christi, ist das Thema des heutigen Evangeliums, sondern eine andere, letzte Ankunft: wenn Christus wiederkommen wird am Ende der Zeit. In Jerusalem, wenige Tage vor seinem Tod, hat Jesus von dieser Endzeit gesprochen. Er nennt sich selber den “Menschensohn”, und er verheißt, dass er “mit großer Macht und Herrlichkeit” kommen wird.
Das wird dann der “jüngste Tag” sein, das Endgericht, das “Ende der Welt”.
Wann wird das sein? Jesus gibt keinen Zeitplan bekannt. Aber dass “Himmel und Erde vergehen werden”, das ist sicher. Einmal, und wenn es in Milliarden Jahren ist, wird dieses Universum untergehen, wie es auch einmal, vor Milliarden Jahren, entstanden ist.
Und sicher ist, dass alles auf Erden vergänglich ist, auch die mächtigsten Reiche, die schönsten Bauten, die großartigsten Werke. Sicher ist auch, dass einmal unsere letzte Stunde schlägt.
Von diesem “Advent” spricht das heutige Evangelium, und Jesus sagt uns, wie wir uns auf das Kommende vorbereiten sollen.
Zwei ganz anschauliche Hinweise gibt er. Lernt aus der Natur: Wenn an den Bäumen die Zweige saftig werden und austreiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. So sollen wir auch erkennen, wann das Ende vor der Tür steht. Schwere Krankheit oder hohes Alter sagen uns, dass die Zeit nahe ist, aufzubrechen, heimzukehren zu Gott. Wer das nicht wahrhaben will, belügt sich selber.
Und einen zweiten praktischen Hinweis gibt Jesus. Lernt aus eurem eigenen Alltag: Wenn ihr wüsstet, wann der Dieb kommt, würdet ihr wach bleiben. Da wir es nicht wissen, hilft nur eines: aufpassen, wachsam sein! Denn nur die Wachsamkeit schützt uns vor unangenehmen Überraschungen. Wie ein Dieb in der Nacht, so kommt “der Menschensohn”, so bricht unsere letzte Stunde herein, “zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet”. Für die Tausenden, die im World Trade Center in New York starben, kam der Tod völlig unerwartet, und ebenso für die vielen, die auf unseren Straßen sterben. Daher Jesu schlichter Zuruf: “Seid also wachsam! Denn ich wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.”
Gewiss ist, dass die letzte Stunde kommt, ungewiss ist, wann sie kommt. Wir können den Gedanken daran verdrängen und in den Tag leben - wie die Menschen vor der Sintflut. Oder wir halten uns bereit. Nicht in Angst und Panik, sondern in Vorfreude, einmal, wenn es soweit ist, zu Gott heimkehren zu dürfen. Mit dieser Einstellung sehen wir auch unser vergängliches Leben mit anderen Augen. Dann ist jeder Tag kostbar, ein Kommen Gottes, ein Advent.
Vom Kommen des Menschensohnes
Sofort nach den Tagen der großen Not wird sich die Sonne verfinstern und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
Danach wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen; dann werden alle Völker der Erde jammern und klagen und sie werden den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels kommen sehen.
Er wird seine Engel unter lautem Posaunenschall aussenden und sie werden die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, von einem Ende des Himmels bis zum andern.
Mahnungen im Hinblick auf das Ende
Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist.
Genauso sollt ihr erkennen, wenn ihr das alles seht, dass das Ende vor der Tür steht.
Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft.
Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.
Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.
Denn wie es in den Tagen des Noach war, so wird es bei der Ankunft des Menschensohnes sein.
Wie die Menschen in den Tagen vor der Flut aßen und tranken und heirateten, bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging, und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte, so wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein.
Dann wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, einer mitgenommen und einer zurückgelassen. Und von zwei Frauen, die mit derselben Mühle mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen.
Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.
Das Gleichnis vom wachsamen Hausherrn
Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, zu welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht.
Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.