Von Maria heißt es, sie habe all das Geschehene im Herzen bewahrt und erwogen.
Von Maria heißt es, sie habe all das Geschehene im Herzen bewahrt und erwogen.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 1.1.2002 - Neujahr
(Lukas 2,16-21)
Am Morgen dieses 1. Jänner führt uns das Evangelium noch einmal zurück zur Krippe. Noch einmal will es uns die Freude der Weihnacht miterleben lassen. Es gibt rauschende Feste in unserer Zeit, manchmal auch be-rauschende. Der Silvesterabend mag ein solcher gewesen sein. Die Freude der Hirten ist anderer, stiller Art. Wer an dieser Festfreude teilhaben will, muss das Staunen wieder lernen, das Staunen der Hirten und das der anderen, denen die Hirten ihre Erlebnisse schilderten.
Was erzählten die Hirten bei der Krippe? Dass ihnen eine ungeheuere Verheißung mitgeteilt worden sei: "Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr." Man muss diese Worte gewissermaßen mit jüdischen Ohren hören, um ihre Tragweite zu ermessen. Seit Generationen lebte Israel in der Hoffnung, dass Gott eines Tages den Messias senden werde, der alles Unrecht beseitigen und aus allem Unheil befreien werde. Einmal wird alles gut werden. Einmal wird Gott alle Tränen abwischen. Einmal werden die Armen aufatmen können, weil Gott selber das Joch der Unterdrückung von ihren Schultern nehmen wird.
Wer das in der Botschaft der Engel an die Hirten auf dem Feld bei Bethlehem mithört, der versteht, welche Freude sie ausgelöst hat. Heute soll der alte Traum, die große Hoffnung wahr geworden sein: der Messias, der Retter ist da.
Das Zeichen, das den Hirten mitgenannt wurde, ist freilich überraschend: "Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt". Kinder armer Leute gab es damals - wie heute - zahllos viele. Was sollte daran das besondere Zeichen sein? Schaut ein mächtiger Retter so aus wie dieses Kind, armselig in einen Futtertrog gebettet?
Das Erstaunliche ist, dass die Hirten, die selber zu den Armen zählen, daran keinen Anstoß nehmen. Sie finden das Kind im Stall, mit Maria und Josef, und sie glauben, was ihnen von diesem Kind gesagt wurde. Sie ließen sich nicht abschrecken von der Armut dieser Geburt. Sie vertrauten darauf, dass Gott auf so kleine, unscheinbare Weise wirkt, nicht mit großem Pomp und blendendem Spektakel, sondern ganz schlicht und im Verborgenen. Nur wer diese Haltung der Hirten hat wird Gottes Wirken im eigenen Leben entdecken und mit Freude feststellen, dass Gott sich gerade in den kleinen Dingen des Alltags zeigt.
Von Maria heißt es, sie habe all das Geschehene im Herzen bewahrt und erwogen. Es wird nicht gesagt, Maria habe über all das viel diskutiert. Ihre Haltung ist anders. Sie erwägt die Geschehnisse mit dem Herzen, behält sie im Gedächtnis, ohne viele Worte. Sie staunt über den Bericht der Hirten, der ihr eine unerwartete Bestätigung für das brachte, was ihr selber über ihr Kind verheißen worden war. Sie wird dieses Zeichen Gottes brauchen können, in all den Jahren die vor ihr liegen, wo scheinbar nichts von dem in Erfüllung geht, was von diesem Kind gesagt worden war, in den langen dreißig Jahren , in denen Jesus heranwächst und ein völlig unauffälliges jüdisches Handwerkerleben in Nazareth lebt.
Zwei große Vorbilder für das neue Jahr: die Hirten in ihrer einfachen Glaubenshaltung, und Maria, die alles still im Herzen erwägt. Wer sich in diese Haltungen einübt, wird Gottes Spuren auch im alleralltäglichsten Leben wahrnehmen. Vielleicht ist es uns im neuen Jahr geschenkt, solchen Menschen zu begegnen, wie den Hirten von Bethlehem, die uns durch ihr gerades Gottvertrauen erstaunen und weiterhelfen. Auf jeden Fall darf ich auf diesem Weg Ihnen allen ein gesegnetes, friedvolles und glückliches Neues Jahr wünschen.
So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten.
Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach. Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten; denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war.
Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, noch ehe das Kind im Schoß seiner Mutter empfangen wurde.