Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn,
Sonntag den 20.1.2002
(Johannes 1, 29-34)
Eines der schönsten, ergreifendsten Musikstücke Mozarts ist das “Agnus Dei” aus der “Krönungsmesse”.
Als vor Jahren Herbert von Karajan im Petersdom in Rom die Krönungsmesse dirigierte, liefen ihm bei diesem Stück die Tränen übers Gesicht. Warum hat Mozart gerade das Agnus Dei (“Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser, gib uns den Frieden”), so besonders innig komponiert?
Wir wissen von ihm selber, dass er diesen Worten und dem, was sie besagen, größten Wert beimaß. Vielleicht verstehen wir nach dem heutigen Evangelium etwas besser warum.
Denn hier kommt im Mund Johannes des Täufers zum ersten Mal das Wort vor, das zu einem Grundwort der christlichen Sprache geworden ist: “Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt”. In der Hl. Messe kommt es mehrmals vor, wörtlich, wenn der Priester vor der Kommunion die Hostie erhebt, das zum Leib Christi gewordene Brot.
Auch wenn es oft zu hören ist, müssen wir doch zugeben, dass es recht fremd geworden ist. Gewiss, wir wissen, wie ein Lamm aussieht, auch ist die Schafzucht bei uns wieder häufiger zu finden. Was aber soll diese Bezeichnung, mit der der Täufer am Jordan auf den kräftigen, jungen Mann hinweist, auf den Zimmermann aus Nazareth, der zu ihm kommt?
Nun, Johannes nennt ihn nicht einfach Lamm, so wie wir leicht spöttisch einen etwas ängstlich-naiven Menschen betiteln. Er nennt Jesus “Lamm Gottes” und spricht damit eine damals ganz vertraute Wirklichkeit an.
Täglich wurden im Tempel in Jerusalem Lämmer als Opfer dargebracht, und bis heute wird in der jüdischen Osternacht (dem “Seder” an “Pesach”) beim Mahl ein Lamm gegessen, das an die rettende Nacht des Auszuges aus der Knechtschaft in Ägypten erinnert.
“Lamm Gottes”, das heißt Opfer, das Gott zur Versöhnung und Befreiung dargebracht wird.
Diesen kräftigen Mann in den besten Jahren (er ist damals etwa dreißig) nennt Johannes “Lamm Gottes”. Und er sagt von ihm, er werde die “Sünde der Welt” hinwegnehmen.
Diese Rätselworte über Jesus sagen seinen ganzen künftigen Weg voraus. Er wird ihn nicht mit großen militärischen Eroberungen gehen, nicht mit mächtigem, politischen Erfolg, sondern “wie ein Lamm, das man zur Schlachtbank führt” (so steht es beim Propheten Jesaja). Aber gerade so, in dieser scheinbaren Ohnmacht, “wie ein Lamm”, wird er das ganze Gewicht des Bösen, das auf der Welt lastet, aus den Angeln heben. Denn hinter allen zerstörerischen Mächten, Unrecht, Krieg und Hass, steht die eine Wirklichkeit, die die Bibel “Sünde” nennt, und diese Riesenlast hat Jesus auf sich geladen und “hinweggenommen”.
Was das wirklich bedeutet, werden wir mit dem Hirn alleine nie verstehen, aber das Herz ahnt es. Mozart hat es mit dem Herzen verstanden und in seiner begnadeten Musik gesagt, wie tröstlich diese Gewissheit vom siegreichen Lamm Gottes ist.
In jener Zeit sah Johannes der Täufer Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinweg nimmt.
Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war. Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, um Israel mit ihm bekannt zu machen.
Und Johannes bezeugte: Ich sah. dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb.
Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft.
Das habe ich gesehen. und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes.