Kehrt um!
Kehrt um!
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 27.1.2002
(Matthäus 4, 12-23)
Schon der erste Satz über das öffentliche Wirken Jesu macht klar, unter welchen Vorzeichen es steht: Jesus hört, "man", das heißt König Herodes Antipas, hat Johannes den Täufer ins Gefängnis werfen lassen. Da entschließt er sich, wegzuziehen aus seiner Heimat Nazareth, wo er dreißig Jahre lang gelebt hat. Damit ist klar: auch Jesu Weg steht unter dem Zeichen des Widerspruchs. "Man" wird auch ihn verfolgen. Am Ende seines Weges wird nicht nur das Gefängnis, sondern die Kreuzigung stehen. Warum es so kam, wird gleich deutlich werden. Vorerst aber beginnt es sehr hoffnungsvoll.
Jesus übersiedelt nach Kapharnaum. Er verlässt sein abgelegenes Heimatdorf. Viel wird er nicht zum Mitnehmen gehabt haben, und kaum jemand wird davon Notiz genommen haben. Aber Matthäus, der Evangelist, der von Beruf Zoll- und Steuerbeamter gewesen war, und dessen Zollstelle dort nahe bei Kapharnaum an der großen Handelsstrasse gelegen war, die aus Asien kommend zum Mittelmeer führte - die berühmte "via maris", auf der es regen Verkehr gab - dieser Matthäus, den Jesus dann von seiner Zollstelle weg zu sich gerufen hat, sieht im Rückblick auf die Übersiedlung Jesu, dass da etwas Großes geschehen ist: Dem Volk, das im Dunkeln und im Todesschatten lebte, ist ein helles Licht aufgeleuchtet. Er weiß, wovon er spricht. Er weiß, wie radikal die Begegnung mit Jesus sein Leben verändert hat. Damals ist wirklich Licht ins Dunkel seines Lebens gekommen.
Was Matthäus erlebt hat, und seither, und bis heute zahllose andere, das sagt das eine, erste kurze Wort Jesu: "Kehrt um!" Für Matthäus hatte das bedeutet, dass er seinen Beruf aufgab und sein Leben ganz änderte. Er wurde einer von denen, die mir Jesus zogen und die er dann zu "Aposteln", zu seinen Gesandten machte. So war es auch bei den ersten vier, den beiden Brüderpaaren, die Fischer waren und die alles verließen, um ganz mit Jesus unterwegs zu sein.
"Kehrt um!" Das galt nicht nur denen, die Jesus als Apostel rief, auch nicht nur denen, die bis heute Jesus im Priesterberuf oder als Ordensleute nachfolgen. Es ist sozusagen der "Dauerauftrag" Jesu an alle Zeiten. Und er gilt lebenslänglich.
Denn "umkehren" heißt "umdenken", sich besinnen, erkennen, was im eigenen Leben anders werden soll, wo es gilt, alte eingefahrene (schlechte) Gewohnheiten aufzubrechen, abzubauen. "Sich bekehren" heißt: jeden Tag mit Gott neu anfangen.
So erfahren wir, dass das "Himmelreich" nahe ist, dass es nicht erst drüben, im Jenseits, beginnt, sondern jetzt schon da ist. Und dass ich deshalb heute schon einen Schritt der "Umkehr" wagen kann. Und dass Jesus nachzufolgen, mit Ihm zu gehen, Licht ins Leben
bringt.
Als Jesus hörte, dass man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, zog er sich nach Galiläa zurück. Er verließ Nazaret, um in Kafarnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sebulon und Naftali. Denn es sollte sich erfüllen, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden ist: Das Land Sebulon und das Land Naftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa: das Volk, das im Dunkel lebte, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen.
Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe. Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen ihre Netze in den See, denn sie waren Fischer.
Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.
Als er weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und richteten ihre Netze her. Er rief sie, und sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus.
Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden.