Es gibt Erfahrungen, die man einmal macht und nie mehr vergisst.
Es gibt Erfahrungen, die man einmal macht und nie mehr vergisst.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 2. Fastensonntag, 24.2.2002
(Mt 4,12-23)
Was damals auf einem hohen Berg geschah, gehört zu den unvergesslichen Erinnerungen der drei Zeugen, die Jesus alleine mit sich genommen hat. Was sie da erlebten, ließ sich schwer in Worte fassen. Sie versuchten es : Vor ihren Augen verwandelt sich das Gesicht Jesu, es wird "leuchtend wie die Sonne", seine Kleider strahlen blendend "weiß wie das Licht". Sie sehen zwei Gestalten, die mit Jesus reden und identifizieren sie als Moses und Elias. Und eine Wolke, die sie umfängt, und eine Stimme, die Jesus den "geliebten Sohn" nennt. Und dann ist plötzlich alles vorbei und sie sehen nur mehr Jesus allein, wie zuvor.
Und doch nicht mehr wie zuvor. Dieses einzigartige Ereignis geht ihnen nicht mehr aus dem Sinn, als sie mit Jesus wieder vom Berg heruntersteigen. Was war geschehen? Was bedeutete es?
Es gibt Erfahrungen, die man einmal macht und nie mehr vergisst. Ich könnte gleich eine ganze Serie aufzählen, Erlebnisse vergleichbarer Art, die Menschen mir im Lauf der Jahre anvertraut haben, über die sie so scheu und zögernd erzählen wie die drei Apostel vom dem, was sie auf dem Berg gesehen und gehört haben. "Gotteserfahrungen" kann man sagen, "mystische Erlebnisse", "Gnadenstunden" - die Worte versagen.
Es gibt sie, und wahrscheinlich haben viel mehr Menschen solche einzigartigen Augenblicke erlebt als wir im Wirbel und Gedränge unseres Alltags annehmen. Was war es also, was die drei am Berg erfuhren? Zuerst dies, dass ihnen Jesus "aufgeleuchtet" ist. Für einen kurzen Moment hat seine göttliche Herrlichkeit durch sein menschliches Äußeres durchgestrahlt, und dieser Anblick muss etwas unvorstellbar Herrliches gewesen sein.
Doch dann gehört zu diesem so beglückenden Augenblick, dass er nicht bleibt. Es kommt wieder, der Alltag, sie müssen vom Berg der Verklärung heruntersteigen, in die Mühen des Alltags, und der Weg wird zum Golgotha führen, zum Kreuz, Leid und Tod Jesu in Jerusalem.
Und da kommt noch etwas Beschämendes dazu: als es dann eng und bedrängt wurde, da haben die drei vergessen, was sie erlebt hatten. Dieselben drei waren dabei, als Jesus Todesangst litt, Blutschweiß und Not vor dem Tod, und da schliefen sie, und liefen davon aus Angst.
Auch wir, die vielleicht "Gnadenstunden", "Gotteserfahrungen" gemacht haben, wir sind deswegen noch nicht gegen solches Vergessen gefeit. Und doch: ganz vergessen kann man nicht, wenn man einmal so deutlich Gottes Nähe erlebt hat. Weil Gott selber nahe bleibt und uns erinnert.
Er wurde vor ihren Augen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne
In jener Zeitnahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg.
Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden blendend weiß wie das Licht.
Da erschienen plötzlich vor ihren Augen Mose und Elija und redeten mit Jesus.
Und Petrus sagte zu ihm: Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija.
Noch während er redete, warf eine leuchtende Wolke ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören.
Als die Jünger das hörten, bekamen sie große Angst und warfen sich mit dem Gesicht zu Boden.
Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sagte: Steht auf, habt keine Angst!
Und als sie aufblickten, sahen sie nur noch Jesus.
Während sie den Berg hinabstiegen, gebot ihnen Jesus: Erzählt niemand von dem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.