Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe.
Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 3. Fastensonntag, 3.3.2002
(Joh 4, 5-42)
Drei Fastensonntage lang gibt es drei besonders lange Evangelien, so lange, dass wir leider nur für Kurzfassungen Platz haben. Man müsste sie ganz lesen. Es sind drei Rettungsgeschichten: Jesus und die Samariterin; Jesus und der Blindgeborene; Jesus und sein verstorbener Freund Lazarus. Eine Frau findet aus den Sackgassen ihres Lebens heraus. Ein Blinder wird sehend. Einen Toten ruft Jesus ins Leben zurück. In der Fastenzeit werden diese Rettungen erzählt, weil sie zeigen, was die Leute am Schluss des heutigen Evangeliums sagen: Jesus “ist wirklich der Retter der Welt”. Wie kommen sie zu dieser Überzeugung?
Jesus setzt sich müde vom langen Weg (zu Fuß!) in der Mittagshitze am Jakobsbrunnen nieder. Niemand geht um diese Stunde zum Brunnen. Früh morgens oder abends, wenn es noch oder schon wieder kühl ist, kommen die Frauen mit ihren auf dem Kopf getragenen Wasserkrügen. Eine aber kommt alleine in der Gluthitze, “um die sechste Stunde”, um zwölf Uhr Mittag. Sie ist sicher, keine der Frauen aus ihrem Dorf zu treffen. Denn sie schämt sich und fürchtet das Getratsche über ihren Lebenswandel. Fünfmal war sie schon verheiratet, und jetzt lebt sie mit einem Sechsten. Jesus wird ihr dies später auf den Kopf zusagen. Doch zuerst überrascht er sie. Keine Spur von Verachtung und Vorwürfen. Vielmehr eine Bitte: “Gib mir zu trinken!”
Alles ist für damals ungewohnt: Einen Juden bittet eine Samariterin - eine Fremde und eine Frau! Und das öffnet ihr Herz: einer, der sie nicht verurteilt. Wer ist dieser durstige Wanderer, der sie schlicht um Wasser bittet? So beginnt ein Gespräch. Er spricht zu ihr von einem Wasser, das er geben kann. Sie hofft, ihn missverstehend, nicht mehr mühsam zum Brunnen kommen zu müssen. Er spricht von einem anderen Wasser, von einer inneren Quelle, die es zu finden gilt, die den Lebensdurst stillen kann, der diese Frau von einer Männerbeziehung zur anderen getrieben hat, ohne dass dieser Durst nach Liebe und Anerkennung und Geborgenheit jemals wirklich gestillt wurde. Jesus verspricht ihr eine Quelle, die nicht wieder durstig macht. Er hat sie neugierig gemacht. Ihre vielen Enttäuschungen, die sie in ihren Beziehungen erlebt hat, machen einer neuen Hoffnung Platz.
Es muss etwas Einzigartiges in der Begegnung mit Jesus gewesen sein: Hier begegnet diese Frau einem, der sie ganz und gar als sie selber sieht, weder, um sie “zu haben”, noch, um sie zu kritisieren, zu richten. Unter diesem Blick kann sie aufblühen, einsehen, dass sie lange Zeit auf Irrwegen war, und dass da einer ist, der ihre tiefe Sehnsucht erfüllen kann, der sie nicht wieder enttäuschen wird. Sie hat die Quelle gefunden, die ihren Durst stillen kann: den Glauben an Jesus. Und diese innere Beziehung zu Gott, die Jesus “die Anbetung in Geist und Wahrheit” nennt.
Seit dieser Mittagsstunde am Jakobsbrunnen haben zahllose Menschen ähnliche Erfahrungen mit der Begegnung mit Jesus gemacht und die Quelle gefunden, die in ihrem Herzen sprudelt, unversiegbar: den Glauben.
Und sie haben, wie die Frau am Jakobsbrunnen, anderen von ihrem Glauben erzählt und sie so neugierig gemacht, selber zu dieser Quelle aufzubrechen und aus ihr zu schöpfen und selber die Erfahrung zu machen, dass Jesus “wirklich der Retter der Welt” ist.
Das Wasser, das ich gebe, wird zur sprudelnden Quelle, deren Wasser ewiges Leben schenkt
In jener Zeitkam Jesus zu einem Ort in Samarien, der Sychar hieß und nahe bei dem Grundstück lag, das Jakob seinem Sohn Josef vermacht hatte.
Dort befand sich der Jakobsbrunnen. Jesus war müde von der Reise und setzte sich daher an den Brunnen; es war um die sechste Stunde. Da kam eine samaritische Frau, um Wasser zu schöpfen. Jesus sagte zu ihr: Gib mir zu trinken!Seine Jünger waren nämlich in den Ort gegangen, um etwas zum Essen zu kaufen.
Die samaritische Frau sagte zu ihm: Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten? Die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern.
Jesus antwortete ihr: Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben.
Sie sagte zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäß, und der Brunnen ist tief; woher hast du also das lebendige Wasser? Bist du etwa größer als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben und selbst daraus getrunken hat, wie seine Söhne und seine Herden?
Jesus antwortete ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen;wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.
Da sagte die Frau zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe und nicht mehr hierher kommen muss, um Wasser zu schöpfen.
Er sagte zu ihr: Geh, ruf deinen Mann, und komm wieder her!
Die Frau antwortete: Ich habe keinen Mann. Jesus sagte zu ihr: Du hast richtig gesagt: Ich habe keinen Mann.
Denn fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Damit hast du die Wahrheit gesagt.
Die Frau sagte zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist.
Unsere Väter haben auf diesem Berg Gott angebetet; ihr aber sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten muss.
Jesus sprach zu ihr: Glaube mir, Frau, die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet.Ihr betet an, was ihr nicht kennt, wir beten an, was wir kennen; denn das Heil kommt von den Juden.
Aber die Stunde kommt, und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden. Gott ist Geist, und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten.
Die Frau sagte zu ihm: Ich weiß, dass der Messias kommt, das ist: der Gesalbte - Christus. Wenn er kommt, wird er uns alles verkünden.
Da sagte Jesus zu ihr: Ich bin es, ich, der mit dir spricht.
Inzwischen waren seine Jünger zurückgekommen. Sie wunderten sich, dass er mit einer Frau sprach, aber keiner sagte: Was willst du?, oder: Was redest du mit ihr?
Da ließ die Frau ihren Wasserkrug stehen, eilte in den Ort und sagte zu den Leuten:Kommt her, seht, da ist ein Mann, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe: Ist er vielleicht der Messias?
Da liefen sie hinaus aus dem Ort und gingen zu Jesus.Währenddessen drängten ihn seine Jünger: Rabbi, iss!
Er aber sagte zu ihnen: Ich lebe von einer Speise, die ihr nicht kennt.
Da sagten die Jünger zueinander: Hat ihm jemand etwas zu essen gebracht?
Jesus sprach zu ihnen: Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen.
Sagt ihr nicht: Noch vier Monate dauert es bis zur Ernte? Ich aber sage euch: Blickt umher und seht, dass die Felder weiß sind, reif zur Ernte.Schon empfängt der Schnitter seinen Lohn und sammelt Frucht für das ewige Leben, so dass sich der Sämann und der Schnitter gemeinsam freuen.
Denn hier hat das Sprichwort recht: Einer sät, und ein anderer erntet.
Ich habe euch gesandt, zu ernten, wofür ihr nicht gearbeitet habt; andere haben gearbeitet, und ihr erntet die Frucht ihrer Arbeit.
Viele Samariter aus jenem Ort kamen zum Glauben an Jesus auf das Wort der Frau hin, die bezeugt hatte: Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe.Als die Samariter zu ihm kamen, baten sie ihn, bei ihnen zu bleiben; und er blieb dort zwei Tage.Und noch viel mehr Leute kamen zum Glauben an ihn aufgrund seiner eigenen Worte.
Und zu der Frau sagten sie: Nicht mehr aufgrund deiner Aussage glauben wir, sondern weil wir ihn selbst gehört haben und nun wissen: Er ist wirklich der Retter der Welt.