Sie schauen hinein: Das Grab ist leer.
Sie schauen hinein: Das Grab ist leer.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn zum Ostersonntag, 31.3.2002
(Joh 20,1-18)
Niemand war Zeuge von dem, was in dieser Nacht geschehen ist, wahrscheinlich kurz vor Tagesanbruch. Am Freitag war Jesus gegen drei Uhr Nachmittag nach qualvollen Stunden am Kreuz hängend gestorben. Seine Apostel glänzten durch Abwesenheit, außer dem Johannes, der mit der Mutter Jesu beim Kreuz ausgeharrt hatte. Was sollte mit der Leiche geschehen?
In ihrer Panik und völligen Niedergeschlagenheit hatten die Apostel überhaupt nicht daran gedacht. Es waren zwei angesehene Männer, die taten, was einfachster menschlicher Anstand ist: für ein Begräbnis zu sorgen. Einer von ihnen, Josef von Arimatäa, hatte für sich selber ganz in der Nähe der “Schädelstätte” des Golgota ein Grab in den Felsen hauen lassen, das mit einem schweren Rollstein verschlossen werden konnte. Dort bestattete er die Leiche Jesu notdürftig.
Matthäus berichtet zudem, dass die jüdische Obrigkeit das Grab durch Soldaten bewachen und den Rollstein vor dem Grab versiegeln ließ, “sonst könnten seine Jünger kommen, ihn stehlen und dem Volk sagen: Er ist von den Toten auferstanden”.
Der nächste Tag war der Sabbat. Alles hat zu ruhen, nach jüdischem Brauch. Aber schon ganz zeitig am übernächsten Tag, dem ersten der neuen Woche, den wir Sonntag nennen, gehen Frauen zum Grab, wie es bis heute bei Trauernden geschieht, die es zum Grab ihrer Lieben hinzieht. Was sie dabei erleben, ist der Anfang einer ganz neuen Geschichte. Sie sehen, wie der Stein weggerollt wird, ein Gottesbote, ein Engel spricht sie an: “Er ist nicht hier. Er ist auferstanden.” Sie schauen hinein: Das Grab ist leer. Es muss schon leer gewesen sein, als der Stein noch versiegelt davor lag, von Soldaten bewacht. Was ist geschehen?
Keiner war Zeuge dieses Ereignisses. Nur das Ergebnis ist offensichtlich: “Er ist nicht hier.”
Wegtragen konnte ihn niemand. Die Verwirrung ist groß, eine Mischung aus Furcht und Freude. Hatte er nicht gesagt, er werde auferstehen? Aber was heißt das? Alles wäre unklar geblieben, wenn nicht das andere dazugekommen wäre: dass er sich selber gezeigt hat, zuerst den Frauen, dann den Aposteln und einer ganzen Reihe anderer. Sie haben alle fest und klar erklärt, dass sie ihn gesehen, berührt haben, dass er mit ihnen gesprochen hat. Sie bezeugen alle: Er lebt! Aber nicht wie früher, in einem sterblichen Leib, sondern ganz anders: Er erscheint, kommt durch verschlossene Türen und ist dann plötzlich weg.
Haben sie Halluzinationen? Kollektive Wahnvorstellungen? Wäre es das gewesen, dann hätte sich die kleine Schar seiner “Fans” schnell wieder verlaufen. Tatsache ist, dass bis heute Menschen in der ganzen Welt sagen, auch ohne Ihn gesehen zu haben: Er lebt!
Wir erleben seine Gegenwart, Seine Nähe und Hilfe. Wir glauben: Er ist auferstanden! Das ist die Osterfreude. Ich wünsche Sie Ihnen allen!
Er sah und glaubte. - Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater
Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war.
Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat.
Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab; sie liefen beide zusammen dorthin, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als Erster ans Grab. Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging aber nicht hinein.
Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegenund das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle.
Da ging auch der andere Jünger, der zuerst an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte. Denn sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste.
Dann kehrten die Jünger wieder nach Hause zurück.
Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein. Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten.
Die Engel sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat.
Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war.
Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen.
Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich ihm zu und sagte auf hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister.
Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern, und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.
Maria von Magdala ging zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie richtete aus, was er ihr gesagt hatte.