Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 2. Sonntag der Osterzeit,
Sonntag der Barmherzigkeit (Weißer Sonntag), 7.4.2002,
(Joh 20, 19-31)
Wie sollten wir ihn nicht mögen, den Zweifler Thomas, der voller Fragen steckt und sich auch traut, sie zu stellen! Es ist ja wirklich nicht leicht, zu glauben, dass der Meister, mit dem sie drei Jahre lang unterwegs gewesen waren und der so schrecklich brutal geendet hat, am Leben sein soll, dass er einfach wieder da sein soll, ganz lebendig und leibhaftig. Dass da Thomas seine Zweifel hat, wer wollte ihm das verargen?
Doch zurück zum Tatort. Man hatte also Jesu in ein Felsengrab gelegt, nahe der Hinrichtungsstätte, dem Golgata. Am übernächsten Morgen waren Frauen beim Grab, fanden es offen, ihn aber nicht darin. Hat jemand den Leichnam weggenommen? Da sieht Maria von Magdala einen Mann, den sie für den Gärtner hält: “Hast Du ihn weggebracht? Wohin hast Du ihn gelegt?” Der spricht sie an mit ihrem Namen: “Maria!” Da erkennt sie Ihn: “Rabbuni! Meister!” Und eilt zu den Aposteln und sagt ihnen: “Ich habe den Herrn gesehen.”
Da setzt nun das heutige Evangelium ein: Sehr viel Glauben schenken sie dieser Frau nicht, die elf Männer, die ängstlich die Türen fest verschlossen hatten. Für Geschwätz hatten sie dies gehalten, so berichtet ganz ehrlich Lukas. Und gefährlich war die Situation. Hatte man Jesus verhaftet und exekutiert, warum sollten nicht auch sie an die Reihe kommen?
Was dann geschah, ist schwer begreiflich, aber sie bezeugen felsenfest, dass es so gewesen ist: Plötzlich ist Jesus da, mitten unter ihnen, trotz der verriegelten Türen. Dass er es ist, kein Zweifel: an seinen Händen zeigt er die Nagellöcher und die große Seitenwunde, vom Lanzenstich, der seinen Tod sichern sollte. Nicht blutende Wunden, auch nicht vernarbte, sondern ... ja, wie soll man sich vorstellen, was in unserer Erfahrung sonst nicht vorkommt?
Thomas, der nicht dabei war, will sehen, betasten, im wörtlichen Sinn be-greifen. Sonst kann er einfach nicht glauben, was ja auch wirklich unglaublich ist.
Eine Woche später, eben heute, ist es soweit. Wieder steht Jesus plötzlich unter ihnen. Und Thomas kann nun wirklich be-greifen, dass Er lebt. Und jetzt glaubt er. Jetzt kann er aus ganzem Herzen sagen: “Mein Herr und mein Gott!”
Wie aber sollen wir begreifen, was für uns unbegreiflich, weil unsichtbar bleibt? Nicht sehen und doch glauben sollen wir, sagt Jesus zu Thomas. Aber kann man grundlos glauben, einfach so ins Ungewisse hinein? Das erwartet Jesus nicht. Gründe zu glauben, gibt es, Grund zu vertrauen. Zuerst die Glaubwürdigkeit derer, die damals Jesus wirklich gesehen haben, besonders der Zweifler Thomas. Sie haben keine Halluzinationen gehabt. Dann aber auch das Zeugnis der vielen Generationen danach und bis heute, die zwar den Auferstandenen nicht gesehen haben, aber im Glauben seine Nähe, seinen Geist, seine Liebe gespürt haben.
“Der Friede sei mit euch”, waren damals seine ersten Worte. Diesen Frieden gibt es bis heute, wenn ich mitten in Ängsten und Nöten plötzlich einen Frieden erlebe, der nicht von mir stammt.
Denn ich weiß: Er ist auferstanden und bei uns.
Acht Tage darauf kam Jesus und trat in ihre Mitte.
Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.
Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.
Thomas, genannt Didymus - Zwilling -, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.
Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch!
Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott!
Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.
Noch viele andere Zeichen, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan.Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.