Empfangt den Heiligen Geist!
Empfangt den Heiligen Geist!
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den Pfingstsonntag, 19.05.2002
(Joh 20,19-23)
Wieder ein langes, verkehrsreiches Wochenende. Die Schulkinder freuen sich über Kurzferien, die Wirtschaft stöhnt über die vielen Feiertage im Mai. Warum wir sie eigentlich haben, was ihr Ursprung ist, wem wir sie verdanken, darüber dürfte durchaus mehr nachgedacht werden. Ich lade dazu herzlich ein.
Heute ist Pfingsten. Wie so viele christliche Feste hat auch dieses einen jüdischen Ursprung. “Wochenfest” wurde es genannt, sieben Wochen, 50 Tage nach Ostern - im Judentum das Pessachfest - wurde und wird es gefeiert.
Ursprünglich ist es als Erntedankfest entstanden, zum Ende der Getreideernte, die im Heiligen Land viel früher stattfindet als bei uns. Im jüdischen Festkreis gedenkt man an Pfingsten aber auch besonders der Gottesoffenbarung und des Bundesschlusses am Berg Sinai.
Der christliche Sinn des Pfingstfestes geht auch von Ostern aus: Jesus Christus ist nicht im Tod geblieben, er ist auferstanden und lebt. Er wirkt weiter, er “inspiriert” seine Jünger , er “be-geistert” sie, gibt ihnen von seinem Geist, damit sie seinen Auftrag weitertragen, überallhin, in allen Sprachen, zu allen Völkern.
Das geschah an Pfingsten, als die kleine Schar der Urkirche - etwa 120 Menschen - in Jerusalem beisammen waren und sie die von Jesus versprochene “Kraft von oben”, den Heiligen Geist erhielten. Von da an begann das große Abenteuer der Ausbreitung des Evangeliums, das wirklich zu allen Völkern gelangt ist, in Hunderten von Sprachen. Er ist etwas Begeisterndes, diese Weltweite der Botschaft Jesu zu erleben, etwa an den großen Festtagen in Rom. Auf meinen Reisen erlebe ich das immer neu, wie Menschen der unterschiedlichsten Kulturen, Sprachen, Völkern aus der Kraft des christlichen Glaubens leben. Da wird der Pfingstgeist greifbar.
Das Evangelium, das heute gelesen wird, führt freilich nochmals zurück zu dem, was vor 50 Tagen geschehen ist, zum Osterabend. Damals war von Weltweite noch nichts zu spüren. Eine kleine, verschreckte Schar, elf Apostel (Judas war nicht mehr dabei) hinter fest verschlossenen Türen. Sie hatten Angst. Hat man Jesus umgebracht, dann könnte es jetzt auch ihnen so ergehen.
Da steht Jesus plötzlich in ihrer Mitte, ungehindert von Riegeln und Mauern. Und in ihre Angst hinein spricht er sein “Friede sei mit euch!” Und als sie seine Nagelwunden vom Kreuz sehen, ist jeder Zweifel zerstreut: Er ist es, er lebt! Und sie sollen leben! Sie sollen ihre Angst ablegen, sollen sich von ihm hinausschicken lassen zu allen Menschen, so wie Gott der Vater ihn zu uns Menschen geschickt hat. Und dazu brauchen sie seinen langen Atem, darum haucht er sie an, damit sein Geist in ihnen sei. Und das kann nur heißen: Wie Er gekommen ist, Gottes Barmherzigkeit zu bringen, so sollen sie in seinem Namen Sünden vergeben, Schuldlasten lösen, denn das ist die frohe Botschaft Jesu. Und sie werden es selber brauchen, dass auch ihnen immer wieder vergeben wird, denn sie werden auch selber Fehler haben, Sünden begehen, Vergebung erbitten müssen.
Ostern und Pfingsten - nicht nur lange Wochenenden, sondern Feste einer frohen Botschaft, die wirklich Grund genug zum Feiern bedeutet. Daher: ein frohes Pfingstfest!
Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite.
Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.