Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.
Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 11. Sonntag im Jahreskreis, 16. Juni 2002,
(Mt 9,36-10,8)
Wenn Jesus auf uns Menschen schaut, sieht er uns anders als wir uns selber und einander sehen. Er sieht unsere Situation zugleich ernster und hoffnungsvoller, als wir sie wahrnehmen.
Es heißt, Jesus sei von einem aus dem innersten Herzen kommenden Mitleid ergriffen gewesen, als er die vielen Menschen um sich sah. Auch wir sehen manche Not um uns. Jesus blickt tiefer. Er weiß um die verborgenen Nöte, die die anderen nicht bemerken. Er sieht unsere Erschöpfung, die Kraftlosigkeit unseres Lebens, die sich oft hinter der Fassade der Geschäftigkeit und der Unterhaltungen verbirgt. Wir sind geneigt, zu glauben, es gehe ja alles so halbwegs gut. Jesus sieht die Orientierungslosigkeit in unserem Leben, das dahineilt, ohne dass wir wirklich wissen, wozu und wohin: “wie Schafe ohne Hirten”.
Sieht Jesus uns zu pessimistisch? Sein Mitleid mit uns ist nur die Kehrseite einer großen Hoffnung: “Die Ernte ist groß”. Jesus sieht, was alles in uns steckt, wieviele Begabungen da wären, aber brach liegen; wieviel wachsen möchte, Wirklichkeit werden könnte, wenn es nicht an der Entfaltung gehindert würde; wieviele Wunden heilen könnten, wenn sie behandelt würden; wieviel Leben, erfülltes Leben Gott schenken will, wenn es nur zum Durchbruch kommt: “Die Ernte ist groß!”.
Es ist wie ein Aufschrei des Herzens, wenn Jesus hinzufügt: “Aber es gibt nur wenig Arbeiter!”. Es tut weh, zu sehen, wie reich die Ernte an erfülltem Leben wäre, wenn es nur genügend Mitarbeiter Gottes gäbe, die sie einbringen helfen. Darum sollen wir Gott, den “Herrn der Ernte”, um solche Arbeiter bitten.
Wer sind sie, diese Erntearbeiter? Wofür sollen wir beten? Die Antwort gibt Jesus gleich selber, indem er Zwölf beruft, damit sie solche Erntehelfer Gottes seien. Diese Zwölf, die wir Apostel nennen, weil sie von Jesus Ausgesandte sind (das bedeutet das Wort Apostel), sollen Boten der Hoffnung sein, Menschen helfen, aus den Fängen des Bösen frei zu werden, leibliche und seelische Heilung bringen, und damit sollen sie zuerst einmal im eigenen Land, in ihrem Volk Israel beginnen.
Damals hat Jesus die ersten Zwölf zu sich gerufen. Tut er es auch heute noch? Und sind heute Menschen bereit, wie diese ersten Zwölf, sich in Dienst nehmen zu lassen, um Gottes Erntearbeiter zu sein? Zweifellos ruft Gott auch heute Menschen. Und Gott sei Dank gibt es auch heute viele, die zum Dienst bereit sind, oft ohne viele Worte, selbstverständlich und selbstlos. Solche Menschen machen unsere Welt wärmer und herzlicher.
Aber auch heute gilt die Klage Jesu: Es gibt viel zu wenig solcher helfenden Hände und Herzen angesichts der großen seelischen Nöte unserer Zeit. Es ist mir ein schmerzliches Rätsel, warum wir bei uns - anders als in anderen Ländern - nicht mehr Priesterberufe haben, wo doch gerade dieser Dienst in der Nachfolge der Apostel steht, die Jesus damals als erste berufen hat. Vielleicht müssen wir neu sehen lernen, wie groß die Ernte ist, um wieder zu erfassen, wie schön es ist, sein Leben ganz dieser Aufgabe zu widmen.
Jesus rief seine zwölf Jünger zu sich und sandte sie aus
In jener Zeit,als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben.
Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.
Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.
Dann rief er seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen.
Die Namen der zwölf Apostel sind: an erster Stelle Simon, genannt Petrus, und sein Bruder Andreas, dann Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und sein Bruder Johannes,Philippus und Bartholomäus, Thomas und Matthäus, der Zöllner, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus,Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn später verraten hat.
Diese Zwölf sandte Jesus aus und gebot ihnen: Geht nicht zu den Heiden, und betretet keine Stadt der Samariter,sondern geht zu den verlorenen Schafen des Hauses Israelgeht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe.
Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.