Lasst beides wachsen bis zur Ernte.
Lasst beides wachsen bis zur Ernte.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 16. Sonntag im Jahreskreis, 21.7.2002,
(Mt 13, 24-43)
Wer kennt das nicht, diese ärgerliche Mischung von guter Saat und unerwünschtem Unkraut?
In jedem Garten muss man sich damit plagen, dass das Unkraut nicht alles überwuchert. In einem gepflegten Garten wird es deshalb auch regelmäßig ausgejätet, um es gar nicht erst die Oberhand gewinnen zu lassen. Je länger man zuwartet, desto schwieriger wird es, seiner Herr zu werden. Das A und O der Gartenpflege ist daher: ständig dranbleiben!
Nicht anders ist es in unserem Leben. Wenn ich nicht täglich das immer nachwachsende Unkraut in meiner Seele ausjäte, dann überwuchert es schnell die guten Seiten meines Wesens. Schlechte Gewohnheiten müssen ständig bekämpft werden, sonst bekommen sie so starke Wurzeln, dass sie unausrottbar werden. Erziehung von Kindesbeinen an ist das A und O des gelungenen Lebens. Wer von klein auf gelernt hat, seinen schlechten Neigungen nicht einfach nachzugeben, sondern sie tapfer und immer neu zu bekämpfen, der wird für seine Mitmenschen ein so erfreulicher Nachbar wie es ein gut gepflegter Nachbarsgarten ist.
All dem scheint Jesus im heutigen Gleichnis völlig zu widersprechen: Lasst das Unkraut mit dem guten Weizen wachsen! Fast klingt das wie ein Programm für die “antiautoritäre Erziehung”, wie sie in den siebziger Jahren Mode war. Damals meinten manche besonders “Fortschrittliche”: Wenn man die Kinder nur einfach in allem gewähren lässt, dann werden sie sich schon von selber gut entwickeln. Dass dem ganz und gar nicht so ist, mußten manche “moderne” Eltern und deren Kinder bald schmerzlich feststellen.
Was will Jesus mit diesem Gleichnis sagen? Und was will er damit nicht sagen? Sicher will er uns nicht entmutigen, gegen das Böse in uns zu kämpfen. Sicher will er uns ermutigen, nicht darüber zu verzweifeln, dass es immer Unkraut geben wird, solange wir in dieser Welt leben.
Jesus spricht vom Himmelreich. Damit meint er seine Gemeinschaft, die er zu gründen und aufzubauen gekommen ist. In dieser Gemeinschaft Jesu, in der Kirche, der Christenheit, wird es immer neben dem guten Weizen, den Christus ausgesät hat, auch das Unkraut des Unchristlichen geben. Das ist nicht erfreulich, und fast jeden Tag erinnern uns negative Meldungen in den Medien daran, dass es viel Unkraut unter den Christen gibt. Und Jesus sagt klar, woher das kommt: Das hat ein Feind von mir getan - der Teufel schläft nicht und hat es besonders auf das Werk Jesu abgesehen.
Auch wenn es jetzt weh tut und ärgerlich ist, das Unkraut im guten Weizen der Christenheit wachsen zu sehen, habt Geduld und seid zuversichtlich: Unkraut verdirbt doch! Gott selber wird das zur Zeit der Ernte besorgen!
In jener Zeiterzählte Jesus der Menge das folgende Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte.
Während nun die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging wieder weg.Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein.
Da gingen die Knechte zum Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Weizen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut?
Er antwortete: Das hat ein Feind von mir getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen?
Er entgegnete: Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus. Lasst beides wachsen bis zur Ernte. Wenn dann die Zeit der Ernte da ist, werde ich zu den Arbeitern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündeln, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune.
Er erzählte ihnen ein weiteres Gleichnis und sagte: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn, das ein Mann auf seinen Acker säte.
Es ist das kleinste von allen Samenkörnern; sobald es aber hoch gewachsen ist, ist es größer als die anderen Gewächse und wird zu einem Baum, so dass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten.
Und er erzählte ihnen noch ein Gleichnis: Mit dem Himmelreiche ist es wie mit dem Sauerteig, den eine Frau unter einen großen Trog Mehl mischte, bis das Ganze durchsäuert war.
Dies alles sagte Jesus der Menschenmenge durch Gleichnisse; er redete nur in Gleichnissen zu ihnen.Damit sollte sich erfüllen, was durch den Propheten gesagt worden ist: Ich öffne meinen Mund und rede in Gleichnissen, ich verkünde, was seit der Schöpfung verborgen war.
Dann verließ er die Menge und ging nach Hause. Und seine Jünger kamen zu ihm und sagten:
Erkläre uns das Gleichnis vom Unkraut auf dem Acker.
Er antwortete: Der Mann, der den guten Samen sät, ist der Menschensohn;der Acker ist die Welt; der gute Samen, das sind die Söhne des Reiches; das Unkraut sind die Söhne des Bösen; der Feind, der es gesät hat, ist der Teufel; die Ernte ist das Ende der Welt; die Arbeiter bei dieser Ernte sind die Engel.
Wie nun das Unkraut aufgesammelt wird und im Feuer verbrannt wird, so wird es auch am Ende der Welt sein:
Der Menschensohn wird seine Engel aussenden, und sie werden aus seinem Reich alle zusammenholen, die andere verführt und Gottes Gesetz übertreten haben,und werden sie in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen.
Dann werden die Gerechten im Reich ihres Vaters wie die Sonne leuchten. Wer Ohren hat, der höre!