Der Tod konnte diesen Leib nicht festhalten, der uns Christus, das Leben, geboren hat.
Der Tod konnte diesen Leib nicht festhalten, der uns Christus, das Leben, geboren hat.
Festtagskommentar von Kardinal Schönborn
zu Maria Himmelfahrt, 15.8.2002
(Lk 1,39-56)
Das Universum ist endlich. Es hat einen zeitlichen Anfang. Es wird auch einmal ein Ende haben. Vor etwa 14 Milliarden Jahren hat es, so nehmen die Wissenschaftler an, mit dem “Urknall” begonnen. Ein “Vorher” gab es nicht. Und in Milliarden Jahren wird es endgültig verlöschen. Ohne “Nachher”? War dann alles nur - an der Ewigkeit gemessen - ein kurzer Zauber?
Auch wir sind sterblich. Einmal haben wir zu sein begonnen, damals, als eine Eizelle mit einer Samenzelle verschmolz und ein einmaliges, noch nie dagewesenes und unwiederholbares neues Wesen begonnen hat: der Augenblick, als Gott mich ins Dasein gerufen hat. Gab es mich vorher noch nicht? Nicht als dieses “Ich”, das im Moment meiner Empfängnis zu sein begonnen hat.
Aber als den, der in Gottes Herzen, in seinen Gedanken bereits “ausgedacht” war, gibt es mich in Gottes Ewigkeit. Noch bevor ich im Mutterschoß empfangen war, hat Gott mich gewollt und geliebt. Ich bin nicht einfach ein “Zufallstreffer” der Natur, sondern ein Gedanke Gottes, auch wenn ich bei weitem in meinem Leben nicht verwirklicht habe, was Gott mir zugedacht hat.
Sicher ist, dass mein Leben ein Ende haben wird, dass ich einmal sterben muss. Was wird danach sein? Einfach “Nichts”? Spurloses Vergehen? So wie das ganze Universum, das einmal verglühen wird?
Die Bibel hat eine andere Botschaft, sie weiß, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Das heutige Fest der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel (“Maria Himmelfahrt” genannt) könnte man als “Sieg über die Enthropie” bezeichnen. Unter Enthropie verstehen die Wissenschaftler das unaufhaltbare Hinsteuern auf das Vergehen und den Tod.
Auf der letzten Seite der Bibel steht diese großartige Verheißung: “Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde ... Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu.”
Auch wenn alles, was wir heute sehen, unsere Erde und alle Sterne und Galaxien, und wir selber vergehen, so wird doch nicht alles vom Tod verschlungen.
Warum wir Maria besonders lieben und verehren? Weil sie der Anfang dieses Sieges ist, “die Morgenröte der neuen Schöpfung”. Der 8. Dezember - leider inzwischen Beute des Weihnachtsgeschäfts geworden - und der 15. August hängen eng miteinander zusammen.
Am 8. Dezember feiern wir die Empfängnis Marias im Schoß ihrer Mutter Anna. “Ohne Erbsünde empfangen”, so lehrt die Kirche von Maria, das heißt: Ohne Keim des Todes, den wir alle in uns tragen.
Am 15. August feiern wir den Heimgang Marias. “Du bist gebenedeit (gesegnet) unter den Frauen”, so grüßt Elisabeth ihre Verwandte Maria, beide schwanger. Maria ist “gesegneten Leibes”, wie man früher bei Schwangerschaft sagte. Sie trug damals Jesus unter ihrem Herzen, den, der durch seinen Tod unseren Tod besiegen sollte.
Die vielen Darstellungen von “Maria Himmelfahrt” zeigen meist die Apostel um ihr leeres Grab. Der Tod konnte diesen Leib nicht festhalten, der uns Christus, das Leben, geboren hat.
Darum ist Maria “die Hoffnung der ganzen Schöpfung” und der 15. August ein so freudiges Fest.
In jenen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa.Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfülltund rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.
Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn,und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig.
Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten.Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen,das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.
Und Maria blieb etwa drei Monate bei ihr; dann kehrte sie nach Hause zurück.