Das Kreuz wurde zum Hoffnungszeichen.
Das Kreuz wurde zum Hoffnungszeichen.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 22. Sonntag im Jahreskreis, 1.9.2002,
(Mt 16,21-27)
Kann man sich einen größeren Gegensatz vorstellen? Eben hat Petrus feierlich bekannt, Jesus sei der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes (es war das Evangelium am vergangenen Sonntag), der ersehnte Messias, der seit langem erwartete, erhoffte Retter des Volkes Gottes aus aller Unfreiheit und Unterdrückung. Wir ahnen, mit welcher freudigen Begeisterung Petrus das ausgesprochen hat, sozusagen als Stimme des leidenden jüdischen Volkes.
Und da beginnt Jesus von etwas ganz anderem zu sprechen: nicht von Sieg und neuer Freiheit, sondern von bevorstehendem Leiden und Getötetwerden. Den Aposteln und allen voran Petrus musste das wie ein unerträglicher Widerspruch erscheinen. Wie sollte Jesus der Retter sein, wenn er getötet wird? Wie soll er der Befreier aus dem endlosen Leiden des Volkes werden, wenn ihm selber viel Leiden bevorstand?
So ist es nur zu verständlich, ja menschlich sympathisch, dass Petrus gleich die ihm eben von Jesus zugewiesene Aufgabe, Felsen der Kirche zu sein, wahrnehmen will: Niemals, davor bewahre dich Gott! Der Messias, der Heiland, soll doch siegen, nicht leiden, er soll befreien, nicht untergehen. Petrus will Jesus vor einem Leidensschicksal bewahren, und darum stellt er sich schützend vor ihn.
Es gibt wohl keine andere Stelle, wo Jesus so schroff und barsch reagiert wie in diesem Augenblick: “Fort mit dir, hinter mich, du Satan!” (So muss man wörtlich genau übersetzen). Petrus - ein Satan?
Der Petrus, den Jesus kurz zuvor zum Felsen der Kirche gemacht hat? Es muss Jesus im Innersten getroffen haben, dass Petrus ihn von seinem Weg abhalten wollte: Du willst mich zu Fall bringen! Satan nennt er ihn, weil genau das der Satan getan hat, als er Jesus in der Wüste versuchte, als er ihn von seinem Weg abbringen wollte.
Jesus jagt aber Petrus nicht weg, anders als den Teufel, sondern er fordert ihn energisch auf: Stelle dich wieder hinter mich, folge mir nach, denn dein Weg ist nicht Gottes Weg, deine Vorstellungen von Freiheit, Glück und Heil sind nicht Gottes Pläne, sondern das, was die Menschen sich darunter vorstellen.
Ich kann mit Petrus mitfühlen. Er hat es gut gemeint mit seinem geliebten Meister, wenn er ihn nicht leiden sehen will. Aber die Sache ist zu ernst, als dass Jesus sie dem Petrus und allen, die seine Jünger sein wollen, einfach durchgehen lassen könnte. Was für ein tiefes Umdenken ist da von uns verlangt! Alles sträubt sich zu Recht gegen Leid und Kreuz. Wir sind für’s Glück geschaffen und nicht für’s Kreuz. Aber Jesus weiß um ein tiefes, gültiges Lebensgesetz, ohne das es kein Glück gibt. Es heißt: Selbstverleugnung! Wer sich selber verwirklichen will, wird sein Leben vertun. Wer sein Leben einsetzt, verschenkt, nicht ängstlich festhält, wird es gewinnen. Jesus ist diesen Weg bis zum Ende gegangen, er hat sein Leben für uns eingesetzt, selbst für seine Feinde. So wurde das Kreuz zum Hoffnungszeichen. Petrus ist umgekehrt und Jesus nachgefolgt, bis zum Kreuzestod, den er in Rom im Zirkus des Nero erlitten hat, dort, wo heute der Petersdom steht, dort, wo heute sein Nachfolger, Papst Johannes Paul II. uns vorlebt, was für eine Kraft von Leid und Kreuz ausgeht, welche Hoffnung und wie viel Lebensmut seine Leidensbereitschaft ausstrahlt.
In jenen Tagenbegann Jesus, seinen Jüngern zu erklären, er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten vieles erleiden; er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen.
Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe; er sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht geschehen!
Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.
Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.
Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen?
Der Menschensohn wird mit seinen Engeln in der Hoheit seines Vaters kommen und jedem Menschen vergelten, wie es seine Taten verdienen.