Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.
Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 23. Sonntag im Jahreskreis, 8.9.2002,
(Mt 18,15-20)
Soll man sich einmischen? Soll man andere auf Fehler hinweisen? Soll man nicht lieber vor der eigenen Türe kehren? Um den rechten Umgang mit den Fehlern anderer geht es im heutigen Evangelium. Jesus gibt seinen Jüngern ganz praktische Konfliktlösungsregeln. Sie sind nach wie vor aktuell. Denn Fehler wird es immer geben, so lange wir fehlbare Menschen sind.
Jesus spricht vom Sündigen. Er meint also nicht nur harmlose Fehler und Schwächen, sondern Verstöße gegen Gottes Gebote, gegen das Gute und Rechte. Er spricht Gefährdungen an, die großen Schaden anrichten können. Darf man zusehen, wie ein anderer sich selber und seine Umgebung durch sittliche Verstöße in Gefahr bringt? Aber wer bin ich denn, dass ich über das Verhalten des anderen urteilen soll? Hat Jesus nicht gesagt: "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet" (Mt 7,1)?
Eben nicht (ver-)urteilen sollen wir, sondern zurechtweisen. Und zwar nicht vor allen anderen, sondern ganz persönlich, unter vier Augen, um den anderen nicht bloßzustellen und ihn in eine Haltung der Selbstverteidigung zu drängen.
Was tun wir statt dessen? Wir reden mit allen möglichen Leuten über die Fehler des anderen, nur nicht mit ihm selber. Das "Leute-Ausrichten" ist bei uns geradezu ein Volkssport. Der Betroffene ist oft der Letzte, der erfährt, dass über seine Fehler geredet wird. Nicht über Fehler sollen wir sprechen, sondern mit dem Fehlenden. Und dazu gehören Mut, Geradheit und eine ganze Portion echter Nächstenliebe. Vor den Anderen sollen wir die Fehler des Nächsten eher zudecken und verschweigen. Mit ihm aber sollen wir sie offen besprechen. Tratschen ist unbarmherzig, persönlich zurechtweisen ist barmherzig. Hat die vertrauliche Aussprache Erfolg, so ist es ein Sieg der Nächstenliebe, der andere kann sich bessern und hat sein Gesicht nicht verloren.
Gelingt das nicht, so sollen ein bis zwei andere dazukommen, um dem Schuldigen ins Gewissen zu reden. Hilft auch das nicht, dann kann es nötig werden, dass die Gemeinde, die Kirche sich von dem Bruder, der Schwester trennt. Ihr hat Jesus die Verantwortung gegeben "zu binden und zu lösen". Tut die Kirche das, so wirft man ihr gerne vor, sie sei unbarmherzig, sie grenze aus. Aber ist es barmherziger, den Anderen in seinen Fehlern zu belassen, ihn nicht auf die Gefahren seines Irrweges hinzuweisen? Müssen wir nicht selber dankbar sein, wenn andere den Mut und die Güte haben, uns unsere Fehler direkt zu sagen und nicht hinter unserem Rücken darüber zu tuscheln?
Manchmal ist ein scheinbar harter Schritt, ein schmerzlicher Trennungsschnitt, eine bessere Hilfe zur Besinnung und Umkehr, als das scheinbar gütige Wegschauen und Laufenlassen.
Nur wo der Mut zur gegenseitigen geschwisterlichen Zurechtweisung vorhanden ist, kann die Einmütigkeit wachsen, die Jesus im Evangelium ausspricht. Wo solche Eintracht besteht, da wird auch das gemeinsame Gebet zu einer mächtigen Hilfe. Nichts aber bringt uns mehr zusammen als diese gegenseitige, geduldige, liebevolle Hilfe, die eigenen Fehler zu erkennen und zu überwinden. In einer solchen Gemeinschaft wohnt Gott, da ist Jesus mitten unter uns.
Wenn dein Bruder auf dich hört, so hast du ihn zurückgewonnen
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen.
Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden.
Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.
Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.
Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten.
Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.