Doch, viele helfen, dass diesen Ärmsten Heilung ermöglicht wird.
Doch, viele helfen, dass diesen Ärmsten Heilung ermöglicht wird.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 6. Sonntag im Jahreskreis, 16.2.2003,
(Mk 1,40-45)
Ich sehe sie vor mir, die dutzenden von Aussätzigen, am Rand einer Fernstraße in Nigeria. Ein unvergesslicher, schrecklicher Anblick: Alte, Junge, mit ihren von der Lepra zerfressenen Gesichtern und Gliedmaßen. Die Autos rasen vorbei, niemand bleibt stehen. Sie haben ja ihre Leprastationen, sagt unser Fahrer. Aussatz ist heute heilbar, wenn es die entsprechenden Medikamente, die notwendige Hygiene gibt. An vielen Orten der Welt fehlt immer noch beides. Doch viele helfen, dass diesen Ärmsten Heilung ermöglicht wird. Einen kannte ich, einen alten amerikanischen Dominikanerpater, der vierzig Jahre auf den Philippinen bei den Aussätzigen gelebt hat, geliebt, verehrt, völlig selbstlos helfend, ein Mann des Evangeliums.
Zur Zeit Jesu waren die Leprakranken völlig ausgestoßen. Sie durften niemanden berühren, lebten außerhalb der Dörfer, und wenn sich ihnen jemand versehentlich näherte, mussten sie warnend rufen: Unrein! Unrein! Sie zu berühren war streng verboten, man machte sich dadurch selber “unrein”. Die Angst vor Aidskranken in unseren Tagen erinnert ein wenig daran.
Jesus kennt diese Ängste offensichtlich nicht. Er lässt den Leprakranken zu sich kommen, er läuft nicht weg und verscheucht ihn nicht. Im Gegenteil, er berührt ihn, von Mitleid bewegt. Noch bevor Jesus ihn körperlich geheilt hat, ist das Wichtigere geschehen: der Ausgestoßene erlebt sich wieder als Mensch. Da ist einer, der in ihm nicht die Gefahr, die unreine Bedrohung sieht, sondern den Menschenbruder, mit dem er leidet, mitfühlt.
Dieses Vorbild Jesu hat gewirkt. Der hl. Franz von Assisi, der sich selber über windet und und einen grausig entstellten Aussätzigen umarmt, ist das bekannteste Beispiel. Zahllose andere gibt es bis heute, die sich nicht vom Leid des Anderen abwenden, die den entstellten Nächsten weiter als Menschen, als Bruder und Schwester sehen und ihnen so helfen, nicht am eigenen Elend zu verzweifeln.
Aber da ist mehr: Der Aussätzige hat von Jesus gehört, von seinen Heilungen. Er hat starke, neue Hoffnung, die ihn zu Jesus hintreibt: Du kannst mich rein machen, wenn du nur willst! Sein Vertrauen wird nicht enttäuscht, das Wunder geschieht, das Unfassbare: er wird völlig heil.
Der Schritt des Vertrauens ist entscheidend. Die Bibel nennt das “glauben”. Glaube ich, dass Jesus meine Lepra heilen kann? Meine inneren Verletzungen, meine Südenlasten, meine Gewissensnot? Alles, was mich wie der Aussatz von den anderen absondert, meine Selbstachtung zerstört, mir langsam den Tod bringt? Glaube ich wirklich, wie dieser Leprakranke, dass Jesus mich ganz heil machen kann? Eines Tages, wenn ich den Schritt wage zu Jesus hinzugehen, mich vor ihm hinzuknien und ihm einfach all meine Not zubringen, dann wird er auch mir sagen: “Ich will es - werde rein!”
Ein Aussätziger kam zu Jesus und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde.
Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will es - werde rein!
Im gleichen Augenblick verschwand der Aussatz und der Mann war rein.
Jesus schickte ihn weg und schärfte ihm ein: Nimm dich in Acht! Erzähl niemand etwas davon, sondern geh, zeig dich dem Priester und bring das Reinigungsopfer dar, das Mose angeordnet hat. Das soll für sie ein Beweis (meiner Gesetzestreue) sein.
Der Mann aber ging weg und erzählte bei jeder Gelegenheit, was geschehen war; er verbreitete die ganze Geschichte, sodass sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen konnte; er hielt sich nur noch außerhalb der Städte an einsamen Orten auf. Dennoch kamen die Leute von überallher zu ihm.