Auch füllt niemand neuen Wein in alte Schläuche
Auch füllt niemand neuen Wein in alte Schläuche
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 8. Sonntag im Jahreskreis, 2.3.2003,
(Mk 2,18-22)
Die jüdischen Hörer Jesu müssen recht schockiert gewesen sein, als sie die Szene erlebten, die heute im Evangelium berichtet wird. Fasten war damals eines der Zeichen gelebter Frömmigkeit. Viele fasteten zwei Mal in der Woche, am Montag und am Donnerstag, was ja auch in der katholischen Tradition weiterlebte, in der Mittwoch und Freitag Fasttage waren.
Lange galt es als eine Art Erkennungszeichen der Katholiken, am Freitag kein Fleisch zu essen, so wie Juden und Muslime kein Schweinefleisch essen. Fasten galt als religiöse Übung und nicht als Schlankheitsmanagement. Sich beim Essen spürbar einzuschränken wurde als Buße für die eigenen Sünden und als Weg der Befreiung von den eigenen Begierden gesehen. Kurzum: Fasten war etwas Frommes.
Und genau das tut Jesus nicht, und seine Jünger tun es ihrem Meister nach. War Jesus unfromm? "Fresser und Säufer", so wurde er von manchen strengen Gläubigen beschimpft. Er hat freilich selber sehr radikales Fasten gehalten, als er vierzig Tage alleine in der Wüste war.
Nicht aus Jux und Unfrömmigkeit hält er jetzt kein Fasten. Er nennt einen ganz anderen Grund dafür, und der musste seine Zuhörer schockieren: Wenn Hochzeit gefeiert wird, dann kann man doch nicht fasten!
Jesus nennt sich selber den Bräutigam. Das war unerhört. Denn jeder Jude wusste damals: Die alten Propheten haben immer wieder Gott als Bräutigam und das jüdische Volk als seine Braut bezeichnet. Das berühmte "Hohelied" im Alten Testament besang diese Liebe in leidenschaftlichen, erotischen Bildern. Gott und sein Volk - eine lange, spannende und oft schmerzliche Liebesgeschichte!
Und genau das wendet Jesus auf sich selber an. Er ist der Bräutigam. Er stellt sich an Gottes Stelle. Jetzt ist Freude angesagt, Hochzeit ist's, da wird gefeiert, nicht gefastet! Unglaubliche Anmaßung, so dachten sich seine kritischen Zuhörer: du machst dich selbst zu Gott!
Verständlich, dass manche jüdischen Zuhörer es als Gotteslästerung empfanden, wie Jesus von sich selber sprach. Genau aus diesem Grund wurde er ja auch schließlich verurteilt und hingerichtet. Wer sich selber als Sohn Gottes bezeichnet ist entweder wahnsinnig oder er lästert Gott.
Jesus wusste, dass er zum „Stein des Anstoßes“ werden musste und dass ein gewaltsames Ende auf ihn wartete. Er deutet es selber an, in dem er sagt, er werde einmal seinen Jüngern „weggenommen“ werden. Man wird ihn kreuzigen und töten. Er wird zwar von den Toten auferstehen, aber er wird nicht mehr sichtbar unter uns Menschen sein. Dann wird es wieder Zeit zum Fasten sein, zur Buße und Einschränkung. Deshalb gibt es ja auch für die Christen die Fastenzeit, die in wenigen Tagen am Aschermittwoch beginnt.
Aber es ist ein Fasten eigener Art. Jesus wollte fröhliche Faster, keine zur Schau gestellten traurigen Mienen. Für den, der sich mit Jesus auf den Weg macht, ist immer Hochzeit, weil Jesus versprochen hat, dass er immer bei uns bleibt – ein ständiger Grund zur Freude. Deshalb darf die Freude der Grundton des christlichen Lebens sein.
Aber wir sind noch nicht am Ziel. Leider können wir vom Weg abkommen und das Ziel verfehlen. Deshalb gilt es wachsam zu sein, um nicht nachlässig und unaufmerksam zu werden.
Genau dazu kann das Fasten helfen, und auch das Beten. In diesem Sinn: eine gute Fastenzeit!
Da die Jünger des Johannes und die Pharisäer zu fasten pflegten, kamen Leute zu Jesus und sagten: Warum fasten deine Jünger nicht, während die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer fasten?
Jesus antwortete ihnen: Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Solange der Bräutigam bei ihnen ist, können sie nicht fasten.
Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam genommen sein; an jenem Tag werden sie fasten.
Niemand näht ein Stück neuen Stoff auf ein altes Kleid; denn der neue Stoff reißt doch vom alten Kleid ab und es entsteht ein noch größerer Riss.
Auch füllt niemand neuen Wein in alte Schläuche. Sonst zerreißt der Wein die Schläuche; der Wein ist verloren und die Schläuche sind unbrauchbar. Neuer Wein gehört in neue Schläuche.