Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.
Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn zum 5. Fastensonntag, 6.04.2003 (Joh 12,20-33)
Ostern ist nahe. Man merkt es an der Frühlingsluft. Aber auch am heutigen Evangelium. Schon ziehen die Pilger zum jüdischen Osterfest nach Jerusalem hinauf. Bald wird die Stadt überquellen von Wallfahrern aus allen Teilen der damaligen Welt. Sie alle, Juden aus dem Heiligen Land und von überall her, wollen Pesach, Ostern nach altem Brauch in Jerusalem feiern. Selbst Sympathisanten des Judentums sind unter ihnen, wie die Griechen, von denen heute die Rede ist.
Ostern war immer eine Zeit höchster Spannung, denn nach jüdischem Glauben sollte der Messias, der ersehnte Retter, sich in Jerusalem an einem Osterfest offenbaren. Und viele stellten sich in diesem Jahr die Frage, ob Jesus von Nazareth, der Umstrittene, nicht doch der Messias sein könnte. Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Griechen „Jesus sehen möchten“.
Jesus lehnt diese gespannte Erwartung nicht ab, er wendet sie nur völlig um. Ja, die Stunde ist gekommen, er wird zeigen, dass er der Messias, der Retter ist, aber ganz anders als erwartet. Vor ihm liegt nicht ein glänzender Erfolg, sondern die Stunde seines Todes. Aber sein Untergang, seine scheinbare Niederlage, wird sein eigentlicher Sieg sein.
Ein einfaches Bild aus der Natur zeigt, dass Fruchtbarkeit nur durch völligen Verlust zu gewinnen ist: Das Weizenkorn bleibt allein, wenn es nicht in der Erde „stirbt“, um so einen ährenreichen Halm hervorzubringen. Jesus leitet daraus ein Grundgesetz des menschlichen Lebens ab: Wer nur ängstlich an sich hält und auf sich selber schaut, wird vereinsamen, dürr und unfruchtbar bleiben. Wer sein Leben einsetzt, seine Lebenskraft verschenkt, dessen Leben wird erfüllt und gesegnet sein.
Aber diese Haltung macht auch Angst. Loslassen ist unheimlich, und wenn der Einsatz sogar das Leben fordern kann, dann löst das Panik aus. Jesus hat das in vollem Maß erlebt. Hier schon, einige Tage vor dem Drama der Kreuzigung, ist zu spüren, dass Jesus im Innersten „erschüttert“ ist. Die Versuchung zu fliehen hat er wohl gekannt. Es wäre leicht gewesen, aus Jerusalem zu flüchten und sich in Sicherheit zu bringen. Aber Jesus ist nicht dazu gekommen, um sein Leben außer Gefahr zu bringen. Er weiß, dass Gott sein Vater ihm den Auftrag gegeben hat, nicht zu flüchten, sondern sein Leben zu geben. Wie bei der Taufe Jesu im Jordan bestätigt auch jetzt eine Himmelsstimme, dass genau das Gottes Plan für unsere Rettung ist. Wie das kleine Weizenkorn soll Jesus sterben, um viele, viele Körner hervorzubringen.
Was schon damals schwer begreiflich war, ist es bis heute geblieben: warum das Leid, das Kreuz und der Tod? Aber warum soll es bei uns ganz anders sein als in der Natur, wo es ohne Sterben kein neues Leben gibt. Und erst recht wird es bei Jesus so sein, der Gott und Mensch zugleich ist. Sein Sterben am Kreuz wird vielen Leben bringen. Mehr noch, und grenzenlos weit: er werde ausnahmslos „alle an sich ziehen“, wenn er am Kreuz hängen wird. Dann werden auch wir im Blick auf das Kreuz zum Loslassen, ja letztlich zum eigenen Sterben Ja sagen können. Denn es ist das Tor zu neuem Leben.
In jener Zeit traten einige Griechen, die beim Osterfest in Jerusalem Gott anbeten wollten, an Philippus heran, der aus Betsaida in Galiläa stammte, und sagten zu ihm: Herr, wir möchten Jesus sehen.
Philippus ging und sagte es Andreas; Andreas und Philippus gingen und sagten es Jesus.
Jesus aber antwortete ihnen: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird. Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.
Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben. Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren.
Jetzt ist meine Seele erschüttert. Was soll ich sagen: Vater, rette mich aus dieser Stunde? Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn schon verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen.
Die Menge, die dabeistand und das hörte, sagte: Es hat gedonnert. Andere sagten: Ein Engel hat zu ihm geredet.
Jesus antwortete und sagte: Nicht mir galt diese Stimme, sondern euch. Jetzt wird Gericht gehalten über diese Welt; jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden. Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen. Das sagte er, um anzudeuten, auf welche Weise er sterben werde.
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