Im wörtlichen wie im bildlichen Sinn können wir sagen: Jesus schaut auf seine Mutter.
Im wörtlichen wie im bildlichen Sinn können wir sagen: Jesus schaut auf seine Mutter.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum Karfreitag, 18.04.2003
Joh 19,17-30
Dort kreuzigten sie ihn. Ohne irgend eine Ausschmückung, ohne auch nur mit einem Wort das Grauenhafte dieses Geschehens zu beschreiben stellt Johannes die Tatsache hin: sie kreuzigten ihn. Wie kann das Menschenherz sich solche Grausamkeit ausdenken? Tausende wurden damals im ganzen römischen Reich durch Kreuzigung hingerichtet; Sklaven, Verbrecher, Aufständische, und einer unter ihnen war dieser Jesus aus Nazareth, der von sich sagte, er sei der König der Juden.
Was geht im Menschenherzen vor, dass es fähig ist, andere, die den Schmerz genauso spüren wie ich, dermaßen brutal zu Tode zu quälen? Wie dieser Tod vor sich ging kann man bis ins Einzelne genau an dem rätselhaften Tuch ablesen, das in Turin aufbewahrt wird. Geiselspuren, Nagelwunden, Blut am Kopf wohl von einen Dornenkranz, ein geschwollenes und zerschlagenes Gesicht, und schließlich ein breiter Blutausfluss aus einer tiefen Wunde im Brustkorb.
Die Tafel über dem Gekreuzigten sagte, wer er wirklich war: der König der Juden, der Verheißene, der Messias, Retter, Erlöser seines Volkes. Pilatus ließ es sich nicht nehmen, das zu schreiben. Wollte er die jüdischen Ankläger Jesu damit ärgern oder war er doch im Innersten von der Frage bewegt, ob Jesus wirklich der sei, der er sagte? Alte Legenden sagen, Pilatus sei sein Leben lang nicht mehr von dieser Frage losgekommen. Bis an sein Ende habe ihm dieser Angeklagte vor Augen gestanden, den er damals zum Tod verurteilt hatte, obwohl er im Gewissen wusste, dass er unschuldig war. Nie konnte er seine Worte, sein Schweigen und vor allem seinen Blick vergessen; diesen Blick ohne eine Spur von Verurteilung oder Verachtung, der doch ins Innerste der Seele eindrang, der ihn durch und durch erkannte: der Blick Jesu!
Dieser Blick hat auch Johannes getroffen und die Mutter Jesu, die das unbeschreibliche Leid aushielt, ihren Sohn am Kreuz angenagelt mit dem Tod ringen zu sehen. Jesus sorgt für beide, die Mutter soll seinen geliebten Johannes wie ihren Sohn annehmen, und er sie wie seine Mutter. Und so blieb es von diesem Moment an, der wie ein Testament Jesu war.
Im wörtlichen wie im bildlichen Sinn können wir sagen: Jesus schaut auf seine Mutter. Er sorgt für sie, und zugleich beauftragt er sie, auf seinen Lieblingsjünger zu schauen. Sie hat das wörtlich genommen und schaut seither auf alle Menschenkinder, für die ihr Sohn das qualvolle Sterben auf sich genommen hat. Und da Jesus für alle Menschen gestorben ist, schaut sie seither auf alle Menschen. Es tut gut, das zu wissen.
Jesus trug sein Kreuz und ging hinaus zur sogenannten Schädelhöhe, die auf Hebräisch Golgota heißt. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere, auf jeder Seite einen, in der Mitte Jesus.
Pilatus ließ auch ein Schild anfertigen und oben am Kreuz befestigen; die Inschrift lautete: Jesus von Nazaret, der König der Juden. Dieses Schild lasen viele Juden, weil der Platz, wo Jesus gekreuzigt wurde, nahe bei der Stadt lag. Die Inschrift war hebräisch, lateinisch und griechisch abgefasst.
Die Hohenpriester der Juden sagten zu Pilatus: Schreib nicht: Der König der Juden, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben.
Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz geschlagen hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen. Sie nahmen auch sein Untergewand, das von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht war. Sie sagten zueinander: Wir wollen es nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilten meine Kleider unter sich und warfen das Los um mein Gewand. Dies führten die Soldaten aus.
Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.
Danach, als Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war, sagte er, damit sich die Schrift erfüllte: Mich dürstet. Ein Gefäß mit Essig stand da. Sie steckten einen Schwamm mit Essig auf einen Ysopzweig und hielten ihn an seinen Mund.
Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und gab seinen Geist auf.