Jesus als Quelle der Barmherzigkeit.
Jesus als Quelle der Barmherzigkeit.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 2. Sonntag der Osterzeit, 27.04.2003
Joh 20,19-31
Lagiewniki ist ein Vorort von Krakau. Dort starb 1938 eine einfache Ordensschwester, Faustina war ihr Ordensname. Sie war erst 33 Jahre alt, ohne besondere Bildung, mit unscheinbaren Arbeiten im Kloster betraut.
Aber sie hatte "mystische Gnaden", eine besondere Verbundenheit mit Christus, und "Einsprechungen", Botschaften des Himmels, die sie weiterzugeben hatte. Der Kern davon war die Botschaft von Gottes unfassbarer, grenzenloser Barmherzigkeit. Dies soll allen Menschen gesagt und der leidgeplagten Menschheit nahegebracht werden.
Am 17. August des vergangenen Jahres war der Papst in Lagiewniki und sagte dort, in der großen neuen Kirche, er wolle, dass diese Botschaft alle Menschen erreiche. Zwei Jahre zuvor hatte er die Schwester Faustina in Rom heilig gesprochen.
Warum ich das gerade heute erwähne? Weil Sr. Faustina immer wieder als Botschaft des Himmels die Aufforderung erhielt, zu sagen, der Sonntag nach Ostern, der sogenannte "weiße Sonntag" solle als "Fest der Barmherzigkeit" gefeiert werden. Und tatsächlich hat der Heilige Vater den "weißen Sonntag" des großen Jubiläums 2000, zum ersten Mal als "Sonntag der Barmherzigkeit" gefeiert. Daher auch heute das Bild, das nach Sr. Faustinas Angaben gemacht wurde: Jesus als Quelle der Barmherzigkeit.
Was aber hat das alles mit dem Zweifler Thomas zu tun, der nur zu glauben bereit ist, was er mit seinen Augen und seine Händen "be-greifen" kann? Er hat ja viele Sympathisanten, der Apostel, der seine Schwierigkeiten mit dem Glauben so offenherzig zugibt. So trauen auch wir uns, sie zu benennen.
Ich frage mich oft, ob nicht die häufigste Schwierigkeit die ist, an Gottes Barmherzigkeit zu glauben. "Sei nicht ungläubig, sondern gläubig!", sagt Jesus zum Apostel Thomas. Glauben, dass Gott mich so sehr liebt, dass ihm sein Kostbarstes nicht zu schade ist für mich: sein eigener Sohn! Glauben, dass Gott mich wirklich nicht verachtet und verurteilt, weil ich so viele Fehler habe, dass ich mich oft selber nicht mag und ertrage; glauben, dass Gottes Barmherzigkeit größer ist als alles unser Versagen; das wollte Jesus durch Sr. Faustina allen Menschen sagen. Das ist seine frohe Botschaft. Sie bringt den Frieden, den Jesus am Osterabend seinen Jüngern gewünscht hat. Das will Jesus der Auferstandene von seinen Aposteln: dass sie den Frieden seiner Barmherzigkeit zu allen Menschen, zu allen Völkern bringen. Und dazu hat er ihnen das schönste Ostergeschenk mitgebracht: "Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben".
Was haben wir zu tun? "Selig, die nicht sehen und doch glauben." Glücklich, wer Jesus völlig vertraut, wer in seiner Barmherzigkeit Zuflucht findet. Sie ist unerschöpflich!
Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite.
Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.
Thomas, genannt Didymus (Zwilling), einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.
Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.
Noch viele andere Zeichen, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.