Dreifaltigkeitssäule, (Pestsäule), Wien
Dreifaltigkeitssäule, (Pestsäule), Wien
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum Dreifaltigkeitssonntag, 15.06.2003
(Mt 28,16-20)
Dreifaltigkeitssonntag wird der Sonntag nach dem Pfingstfest genannt. An vielen Orten in unserem Land sind Darstellungen der Dreifaltigkeit zu finden. Ich nenne nur beispielweise die prachtvolle Pest- oder Dreifaltigkeitssäule am Graben in Wien, das Wallfahrtsbild am Sonntagberg in Niederösterreich oder die vielen Darstellungen des „Gnadenstuhls“ an Wegen und Feldern, in Marterln und Kapellen.
Meist wird Gottvater betagt und mit mächtigem Bart, Gott Sohn am Kreuz, das Gottvater hält, der Heilige Geist als Taube zwischen beiden dargestellt. Manche stellen die kritische Frage: Kann man, darf man Gott überhaupt darstellen versuchen? Das Judentum und der Islam verbieten es ausdrücklich. Ein „Gottesbild“ in einer Moschee wäre undenkbar, erst recht ein Bild der Dreifaltigkeit Gottes. „Ihr verehrt drei Götter“, so lautet eine häufige Kritik am Christentum.
Das heutige Evangelium gibt darauf Antwort. Es sind die letzten fünf Verse des Matthäusevangeliums, sein feierlicher Abschluss. Gewaltiges wird hier von Jesus gesagt. Zuerst die Tatsache, dass der am Kreuz grausam Gestorbene lebt. Er war nicht scheintot gewesen. Er war wirklich gestorben, bestätigt durch den Herzstich mit der Soldatenlanze. Sie hatten ihn wirklich begraben. Und am dritten Tag danach war er wirklich auferstanden, nicht wiederbelebt für eine weitere irdische, begrenzte Lebenszeit, sondern jenseits des Todes, in unzerstörbarem Leben.
Am vereinbarten Treffpunkt im heimatlichen Galiläa sehen die Jünger ihn. Anbetung und Zweifel mischen sich. Sie können es nicht fassen – und doch ist es so. Deshalb die Geste, vor ihm niederzufallen, eine Geste, die eigentlich nur Gott gebührt, denn einen Menschen darf man nicht anbeten. Unvergesslich aber bleiben die Worte, die Jesus ihnen sagt. Sie hallen nach durch die Jahrhunderte. Sie bleiben gültig, solange der Weg der Menschheit auf dieser Erde dauert. Sie umspannen alle Völker, alle Menschen aller Zeiten, sie gelten für das ganze All.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder diese Worte sind wahr – oder Jesus war ein versponnener Phantast, ein Größenwahnsinniger. Wer kann sagen: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden“? Nur einer, der Gott ist, kann solches sagen. Nur Gott ist allmächtig. Nur wenn Jesus Gott ist, kann er diese Worte ohne Anmaßung sagen. Nur wenn Jesus der Sohn Gottes ist, kann er mit gutem Recht dazu auffordern, dass alle Menschen seine Jünger werden sollen. Es wäre eine maßlose Selbstüberschätzung, wenn ein sterblicher Mensch erwarten würde, dass alle Menschen auf Erden seine Anhänger werden sollten. Aber Gott, der alles erschaffen hat, kann seine Geschöpfe einladen, ihm ganz zu vertrauen.
Weil Jesus wirklich Mensch ist, können wir von ihm ein Bild machen. Weil Jesus wirklich Gott ist, kann er versprechen: „Ich bin bei euch alle Tage, immer und jederzeit.“ Weil Jesus Gott und Mensch ist kann er alle Menschen einladen, seine Jünger, seine Freunde zu werden.
Christen beten nicht drei Götter an. Sie verehren den einen Gott, den Vater, der aus Liebe den Menschen sein Kostbarstes, seinen Sohn schenkt, und seinen „Lebensatem“, den Heiligen Geist. Mit den begrenzten Mitteln der Kunst versuchen die Dreifaltigkeitsbilder das auszudrücken, was nur der Glaube erfassen kann.
In jener Zeit gingen die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder.
Einige aber hatten Zweifel. Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.
Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.