Wie leben die Nachfolger der Apostel haute?
Wie leben die Nachfolger der Apostel haute?
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 15. Sonntag im Jahreskreis, 13.7.2003
(Mk 6,7-13)
Man reibt sich die Augen und fragt sich: habe ich richtig gelesen? So also war´s am Anfang der Kirche: Ohne Vorratstasche, ohne Geld, mit Sandalen und Wanderstab hat Jesus seine ersten Jünger ausgesandt, das Evangelium zu den Menschen zu bringen.
Was ist daraus geworden? Hat die Kirche dieses Ideal längst verraten? Wie leben die Nachfolger der Apostel haute? Und können sie, tun sie, was Jesus den ersten Aposteln aufgetragen hat: Dämonen austreiben und Kranke heilen? Glauben die heutigen Nachfolger der Apostel überhaupt noch an Teufel und Dämonen und an ihren Auftrag, Menschen aus deren Klauen zu befreien? Glauben die heutigen Jünger Jesu noch daran, dass ihr Meister ihnen den Auftrag und auch die Vollmacht gegeben hat, Kranke nicht nur zu trösten, sondern auch zu heilen?
Das Evangelium ist ein gefährlicher Spiegel. Wer da hineinschaut, muss gefasst sein, dass sein Leben in Frage gestellt wird. Was sehe ich darin, als Bischof und Nachfolger der Apostel? Was sieht ein Pfarrer in unserer heutigen Lebenssituation in diesem Spiegel? Was sehen Sie, lieber Leser, in diesen Worten Jesu, die sich ja irgendwie an alle Menschen richtet?
Es gibt einen einfachen Ausweg, selbstkritische Fragen zu umgehen: Dieses Evangelium gilt für damals, für die heldenhaften Zeiten des Anfangs. Damals brauchte es solche radikalen Leute, die arm, ohne Macht, mittellos hinauszogen - nur mit der Kraft Jesu und seines Geistes ausgerüstet -, um das Evangelium zu verkünden. Seither hat die Kirche sich überall auf der Welt ausgebreitet, ihre Strukturen, Gemeinden, Pfarren usw. eingerichtet und funktioniert trotz mancher Schwächen ja doch erstaunlich gut seit nunmehr fast 2.000 Jahren.
Nein, dieser Ausweg ist zu billig. Ein Franz von Assisi hat sich mit dieser Erklärung nicht zufrieden gegeben, und ebenso wenig eine Mutter Teresa von Kalkutta. Immer wieder hat es “heilige Narren” gegeben, die dieses Evangelium wörtlich genommen haben. Mein Ordensgründer, der heilige Dominikus im 13. Jahrhundert, war so einer (ich gehöre dem Dominikanerorden an). Er hat wirklich allen Reichtum verlassen, um arm und in völligem Gottvertrauen loszuwandern mit der frohen Botschaft. Und das Erstaunlich ist wieder: diese Narren der Nachfolge Jesus haben die Kirche erneuert, sie aufgeweckt aus dem Schlaf der Sicherheit. Sie haben den frischen Wind des Evangeliums in die stickige Luft einer zu gut eingerichteten Kirche gebracht. Und das ist selbst im prächtigen Palast des Vatikans möglich – denken wir an den guten Papst Johannes XXIII.!
Was heißt das für einen Bischof von heute, einen Pfarrer, oder einfach für jeden von uns? Auch wenn wir heute nicht mit Sandalen und Wanderstab unterwegs sind – manche tun es auch heute wieder! –, so kann ich mich doch innerlich loslösen, beweglich bleiben, ein Pilger auf diesen Erdenwegen, bereit, das viele Gepäck loszulassen, das sich ansammelt. Und auf die Kraft Jesu zu vertrauen, die heil macht und aus den Fängen des Bösen befreit. So kann doch jeder, auch daheim, Apostel Jesu sein.
In jener Zeit, rief Jesus die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen.
Er gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben, und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen.
Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst.
Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen, zum Zeugnis gegen sie.
Die Zwölf machten sich auf den Weg und riefen die Menschen zur Umkehr auf. Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.