Es gibt die Zeit zum arbeiten und die Zeit, von der Arbeit auszuruhen.
Es gibt die Zeit zum arbeiten und die Zeit, von der Arbeit auszuruhen.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 16. Sonntag im Jahreskreis, 20.7.2003
(Mk 6,30-34)
Heute passt das Evangelium gut zur Ferien- und Urlaubszeit: “Ruht ein wenig aus!” Es gibt die Zeit zum arbeiten und die Zeit, von der Arbeit auszuruhen. Jesus gönnt seinen Mitarbeitern, den Aposteln, eine Zeit der Erholung, nachdem sie eine anstrengende Zeit des Einsatzes hinter sich hatten: “Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus.”
Die “Ferien”, wie Jesus sie mit seinen Freuden plant, sollen nicht wieder eine hektische, gestresste Zeit sein, voller Erlebnisse, Abwechslungen und Zerstreuungen. Das ist nicht wirklich ein Ausruhen, ein Zur-Ruhe-Kommen.
Jesus will, dass er mit den Jüngern Zeit hat, in Ruhe und abseits vom Wirbel einfach zusammen zu sein. Sie sollen in der Gemeinschaft mit ihm und untereinander “auftanken” können. Dafür eignen sich nicht die lauten Plätze, wo ständig Wirbel und Lärm ist. Jesus selber hat oft die Einsamkeit gesucht, bevorzugt auf Bergen, fernab vom Treiben der Menschen. In der Stille und im Gebet hat er seine “Erholung” gefunden. Viele suchen heute zu Recht wieder stärker nach solchen Formen des “Urlaubs der Seele”.
Damals freilich kam es ganz anders. Nicht die Stille eines einsamen Ortes erwartete die erholungsbedürftigen Apostel, sondern eine große Menschenmenge, die Jesus sehen, berühren, hören wollte. Ich habe selber in Afrika vor zwei Jahren eine ähnliche Szene erlebt, als wir mit einem Boot über den See zu einem Dorf fuhren, wo ich Gottesdienst halten sollte. Wir sahen Scharen von Menschen am Ufer entlang laufen. Sie kamen vor uns an, und als wir aus dem Boot stiegen, erwartete uns eine riesige Menschenmenge.
Ich versuche mir vorzustellen, welche Gesichter die Apostel machten, als sie die vielen Leute sahen: wieder nichts mit einer ruhigen Zeit! Schon wieder kein Ausruhen, keine Entspannung! Aber darüber schweigt der Evangelist Markus.
Nur die Haltung Jesu interessiert ihn. Kein Wort der Ungeduld, des Ärgers darüber, dass aus der geplanten Erholung nichts wird. Er wendet sich ganz den Menschen zu, die mit ihren Sorgen, ihrer Not, mit ihren Krankheiten voll Erwartung ihm nachgelaufen sind, viele wohl leidend, erschöpft und vom Leben gezeichnet. Er denkt nicht an seine wohlverdiente Ruhe, seinen “Urlaub”, sondern an alle die Menschen, die jetzt voll Hoffnung auf ihn schauen. Und er schaut voll Mitleid auf sie, sieht ihre Mühe und Plagen und welche Lasten sie zu tragen haben.
Und nun das Überraschende. Jesus reagiert auf die Not der Menschen, die ihm zu Herzen geht, auf ungewöhnliche Weise: “er lehrte sie lange”, so lange bis es Abend wird und den Jüngern schon der Magen knurrt und sie ihn daran erinnern, dass es Zeit zum Essen wird, wenn man schon nicht die erhoffte Ruhe gefunden hat.
Jesu Mitleid gilt von allem der Orientierungslosigkeit der Menschen, die ihm nachlaufen. Er will ihnen zuerst und vor allem den Weg zeigen, der zum Leben und zum Glück führt. Er gibt ihnen zuerst sein Evangelium und dann aus das Brot für ihren Leib (siehe nächsten Sonntag). Brot haben wir heute Gott sei Dank bei uns ausreichend. Dringend brauchen wir aber Orientierung. Die gibt Jesus auch heute mit seinem Evangelium, gratis, ausgiebig. Nur Zeit müsse wir uns dafür nehmen, sinnvolle Urlaubszeit.
In jener Zeit, versammelten sich die Apostel die Jesus ausgesandt hatte, wieder bei ihm und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten.
Da sagte er zu ihnen: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus.
Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen.
Sie fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein. Aber man sah sie abfahren und viele erfuhren davon; sie liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin und kamen noch vor ihnen an.
Als er ausstieg und die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er lehrte sie lange.