Groß ist nicht, wer sich wichtig macht und nach oben rudert, sondern wer zu dienen weiß.
Groß ist nicht, wer sich wichtig macht und nach oben rudert, sondern wer zu dienen weiß.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 25. Sonntag im Jahreskreis 21. September 2003,
(Mk 9,30–37)
Bewundernswert diese Ehrlichkeit der Apostel! “Worüber habt ihr unterwegs gesprochen?” Auf diese Frage Jesu schweigen Sie. Verständlich, denn sie schämen sich, zuzugeben, was das Thema ihrer Diskussionen auf dem Weg waren. Sie haben das getan, was bis heute ständig geschieht, auch in der Kirche, unter Christen: “Sie hatten unterwegs miteinander darüber gesprochen, wer von ihnen der Größte sei”.
Wer ist der Größte, Beste, Erfolgreichste? Wie oft geht es vor allem um das! Und wie oft versuchen wir, uns dabei nach oben zu drängen, und die anderen entsprechend nach unten zu drücken. Wie oft versuchen wir, bewusst oder unbewusst, uns ins gute Licht zu stellen und die anderen in den Schatten.
Bewundernswert ist die Ehrlichkeit, mit der die Apostel zugeben, dass sie da-leider-keine Ausnahme gemacht haben. Für mich ist das einer der stärksten Gründe, die für die historische Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der Evangelium sprechen. Sie bieten uns keine “geschönte” Geschichte. Sie zeigen uns Menschen aus Fleisch und Blut. Aber sie bleiben nicht dabei stehen. Sie weisen Wege, wie wir aus der alten Selbstbezogenheit herausfinden, wie wir die im Grunde dumme Haltung des “ich bin der Größte und Beste” überwinden können.
Genau das ist ja die Situation im heutigen Evangelium. Jesus ist mit seinen Jüngern unterwegs, abseits von den Menschenmengen, denn er will ihnen Wichtiges persönlich verständlich machen. Anfang ist ihnen freilich völlig unverständlich, was er ihnen zu sagen hat. Denn er spricht von bevorstehendem schlimmen Leid, von seinem gewaltsamen Tod, und auch davon, dass er nicht im Tod bleiben, sondern auferstehen werde. Satt Jesus zu fragen, was das alles bedeutet, trauen sie sich nicht. Vielleicht wollen sie es noch nicht verstehen, denn dann müsste sie ja ihre Einstellung und ihr Leben ändern. Lieber bleiben sie bei ihren Machtspielen, vorerst noch... Denn später haben sie es doch Begriffen und sind alle den Weg Jesu gegangen, bis zur Bereitschaft, ihr Leben ganz für Ihn und für die Menschen einzusetzen.
Denn darauf kommt es an, das will Jesus ihnen klarmachen, das hat er selber bis zur letzten Konsequenz vorgelebt: Groß ist nicht, wer sich wichtig macht und nach oben rudert, sondern wer zu dienen weiß. Das sieht aufs Erste ganz unmöglich aus. Unter uns Menschen herrscht doch weitgehend das Gesetz des Stärkeren vor. Wer was werden will, muss sich durchsetzen. Wer Erfolg will, braucht Ellbogen. Aber stimmt das wirklich?
Ist nicht der beste Chef der, dem seine Mitarbeiter ein wirkliches Anliegen sind? Ist nicht der Betrieb erfolgreicher, in dem ein gutes, starkes Miteinander herrscht und nicht eine alle Freude und allen Schwung lähmende “Hackordnung”? Sind nicht die Eltern die wirklich geliebten (und erfolgreichen!), die nicht nur um sich selber und ihren Erfolg kreisen, sondern die mit ihren Kindern gemeinsam den Weg gehen?
Jesus weist den Weg heraus aus der eigenen Wichtigtuerei: ein Kind stellt er in die Mitte und umarmt es. Als wollte er uns sagen: vergesst doch eure eigene Wichtigkeit, schaut euch die Kinder an, werdet einfacher, unkomplizierter! Und nehmt einander an wie ich dieses Kind in die Arme nahm! Vielleicht sollten wir unterwegs darüber miteinander reden, und nicht, wer denn der Größte sei.
In jener Zeit zog Jesus und seine Jünger durch Galiläa.
Jesus wollte aber nicht, dass jemand davon erfuhr; denn er wollte seine Jünger über etwas belehren. Er sagte zu ihnen: Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert und sie werden ihn töten; doch drei Tage nach seinem Tod wird er auferstehen. Aber sie verstanden den Sinn seiner Worte nicht, scheuten sich jedoch, ihn zu fragen.
Sie kamen nach Kafarnaum. Als er dann im Haus war, fragte er sie: Worüber habt ihr unterwegs gesprochen? Sie schwiegen, denn sie hatten unterwegs miteinander darüber gesprochen, wer (von ihnen) der Größte sei.
Da setzte er sich, rief die Zwölf und sagte zu ihnen: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.
Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen: Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.