Wer das Reich Gottes nicht so annimmt, wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.
Wer das Reich Gottes nicht so annimmt, wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 27. Sonntag im Jahreskreis 5. Oktober 2003,
(Mk 10,2-16)
Es ist nichts Neues, dass die Ehe schwierig sein kann. Was tun, wenn es gar nicht mehr geht? Muss man um jeden Preis zusammenbleiben? Gibt es gar keinen Ausweg, wenn die Ehe kein gangbarer Weg mehr zu sein scheint?
Sie wollen Jesus testen, ihn auf die Probe stellen, ihn in eine Falle locken: Darf man (Mann) sich von seiner Frau trennen? Was sagt Jesus zur Scheidung? Gegenfrage: Was sagt die Bibel dazu? Die Bibel, hier das Alte Testament, erlaubt es dem Mann, seine Frau zu entlassen. Nicht irgendwie, nicht einfach verstoßen, in die Schutzlosigkeit entlassen, sondern eine „Scheidungsurkunde“ darf man ausstellen.
Das war damals ein Fortschritt. Die Frau hatte dadurch einen gewissen Schutz, sie wurde nicht völlig rechtlos auf die Straße gestellt. Aber der Mann blieb der Bevorzugte, er konnte seine Frau „entlassen“, sie ihn nicht. Seither hat sich im „Scheidungsrecht“ viel geändert.
Die Schutzbestimmungen sind besser geworden. Und dennoch bleibt viel Leid und Schmerz. Meist hinterlässt eine Scheidung tiefe Wunden bei den Partnern, oft mehr noch bei den Kindern.
Ehescheidung war also damals erlaubt. Mose selbst, der Gottes Gebote aufgezeichnet hat, gab dazu die Anweisungen.
Jesu aber sieht das alles anders. Er erklärt: Was Mose verordnet hat, ist nur eine Notlösung. Weil ihr so hartherzig, so unversöhnlich seid, hat er diese Scheidungsregelung festgelegt. Gottes Plan und Willen ist das sicher nicht. Und dann erklärt Jesus, was Gottes ursprüngliche Absicht war: Mann und Frau hat Er füreinander geschaffen, sie verlassen ihre Eltern um zusammenzukommen und „ein Fleisch zu sein“.
“Ein Fleisch“, das meint zuerst einmal die geschlechtliche Vereinigung der beiden. Diese ist von Gott gewollt und daher etwas Gutes. Sie ist nicht eine unerlaubte, gar böse Sache.
„Ein Fleisch“ werden, das ist aber noch mehr als die sexuelle Vereinigung. Es bedeutet das Zusammenwachsen, sodass beide immer mehr „ein Herz und eine Seele“ werden. Und Jesu sagt: Dieses Einswerden stiftet Gott selber zwischen den beiden. Gott hat sie verbunden. Er hat ihren Bund besiegelt. Deshalb gehört der Ehebund nicht mehr nur den beiden Partnern, er ist mehr als ein Vertrag, den man beliebig wieder aufkündigen kann. „Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“ Und Jesus lässt keinen Zweifel daran: Wer seinen Partner verlässt und einen anderen heiratet, „begeht Ehebruch“.
Schon damals waren seine eigenen Anhänger über diese strenge Haltung geschockt. Wer wagt dann noch zu heiraten, wenn die Ehe völlig unauflöslich ist? Es kann doch immer im Leben etwas schief gehen. Hat Jesus denn kein Herz für die, deren Beziehung gescheitert ist?
Nirgendwo im Evangelium finden wir, dass Jesus Menschen, die im Leben irgendwie gescheitern sind, verurteilt. Nur eines hat er immer verurteilt: die Herzenshärte.
Nicht das Versagen ist schlimm, sondern so tun, als hätte man nicht versagt. Wer bereut was er gefehlt hat, den hat Jesus nie weggeschickt. Und auch das hat Jesus immer von uns gefordert: die Versöhnungsbereitschaft.
Ließe sich nicht manche Scheidung vermeiden, wenn wir die Herzen weniger verhärtet hatten? Und als wollte Jesus unsere Herzen berühren, sagt er gleich nach der „Scheidungsdebatte“: „Lasst die Kinder zu mir kommen“. Wer hat denn vor allem unter den Scheidungen zu leiden? Jesus zeigt auf die Kinder, nimmt sie in die Arme und segnet sie. Ist dieses berührende Bild nicht eine Einladung, sich die Scheidung noch einmal zu überlegen, im Blick auf die Kinder?
In jener Zeit kamen Pharisäer zu Jesus und fragten: Darf ein Mann seine Frau aus der Ehe entlassen? Damit wollten sie ihm eine Falle stellen.
Er antwortete ihnen: Was hat euch Mose vorgeschrieben? Sie sagten: Mose hat erlaubt, eine Scheidungsurkunde auszustellen und (die Frau) aus der Ehe zu entlassen.
Jesus entgegnete ihnen: Nur weil ihr so hartherzig seid, hat er euch dieses Gebot gegeben. Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins.
Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Zu Hause befragten ihn die Jünger noch einmal darüber. Er antwortete ihnen: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet.
Da brachte man Kinder zu ihm, damit er ihnen die Hände auflegte. Die Jünger aber wiesen die Leute schroff ab. Als Jesus das sah, wurde er unwillig und sagte zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran!
Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes. Amen, das sage ich euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt, wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er nahm die Kinder in seine Arme; dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie.