Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen.
Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 29. Sonntag im Jahreskreis
Weltmissionssonntag (Tag der Weltkirche)
19. Oktober 2003,
(Mk 10,35-45)
Man kann sich kaum einen besser passenden Text für den Tag der Seligsprechung von Mutter Teresa von Kalkutta aussuchen, als das Evangelium das heute überall auf der Welt im Katholischen Gottesdienst gelesen wird. Denn selten ist so vielen Menschen sichtbar und spürbar geworden, wie wahr das Wort Jesu ist: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.“
Mutter Teresa hat sozusagen „Karriere nach unten“ gemacht. Sie ist nicht immer höher gestiegen, sondern immer weiter heruntergegangen. Aus der wohlbehüteten Situation einer Ordensfrau, die in einer guten Klosterschule eine gute Lehrerin war, ist sie zu den Ärmsten der Armen hinabgestiegen, zu den Sterbenden auf den Straßen von Kalkutta. Sie ist dabei den Weg Jesu nachgegangen, der „nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen“, bis zur Bereitschaft, sein Leben hinzugeben.
Heute also wird sie selig gesprochen, diese kleine Frau, die wir kaum eine andere in der ganzen Welt, bei Christen wie bei Nichtchristen, beliebt und geliebt war. Was ist an ihr so anziehend? Warum ist ihr Weg „nach unten“ für viele so faszinierend?
Vielleicht deshalb, weil wir alle im Herzen spüren, dass dieser Weg der bessere ist, und der glücklicher macht als jener, von dem im heutigen Evangelium die Rede ist. Unter den zwölf Aposteln gab es einen kleinen Kreis, den Jesus bevorzugt behandelt hat. Sie waren die ersten gewesen, die Jesus gerufen hatte, und nichts ist menschlich verständlicher, als dass sie daraus den Schluss zogen, etwas Besseres und Wichtigeres zu sein, als die anderen, die später dazugekommen waren. Zwei Brüderpaare, Simon Petrus und Andreas, Jakobus und Johannes, die Fischer vom See Genezareth, waren diese Erstberufenen.
Jetzt, da es ernst wurde, da Jesus immer wieder von seinem Ende, seinem Tod sprach, dachten sie wohl, sie müssten sie noch schnell für die Zukunft vorsorgen. Sie wissen nicht, wie es mit Jesus ausgehen wird, aber sie hoffen, dass er das „Reich Gottes“ aufrichten wird, eine herrliche Herrschaft, in der alles gut und neu werden würde, und in der sie vorsorglich die besten Plätze, die mächtigsten Positionen haben wollten.
Es ist fast rührend, wie ehrlich Jakobus und Johannes ihren Ehrgeiz zugeben. Und es wundert nicht, dass die anderen zehn über dieses Karrierestreben verärgert waren. So geht es doch dauernd zu in unserer Welt (und auch leider in der Kirche!). Aber Jesus zeigt ihnen eine andere, größere Karriere, nicht nur in Worten, sondern durch sein Vorbild: Wenn ihr mir ganz nahe sein wollt, müsst ihr mit mir den Weg gehen, den Kreuzweg; ihr müsst mit mir den Leidenskelch trinken und die Todestaufe annehmen.
Und wieder ist es rührend, wie spontan die beiden sagen: Dazu sind wir bereit. Tatsächlich sind dann alle zwölf Jesus bis ins Martyrium nachgefolgt, ohne Zögern.
Klein werden wie die Kinder, sagt Jesus immer wieder, nicht sich groß machen wie die Mächtigen: Dienen macht groß, dass zeigt uns Mutter Teresa. „Lieben“, hörte sie nicht auf zu sagen und vorzuleben, „lieben bis es wehtut“.
In jener Zeit traten Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, zu ihm und sagten: Meister, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst.
Er antwortete: Was soll ich für euch tun?
Sie sagten zu ihm: Lass in deinem Reich einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen.
Jesus erwiderte: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?
Sie antworteten: Wir können es.
Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr werdet den Kelch trinken, den ich trinke, und die Taufe empfangen, mit der ich getauft werde.
Doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die diese Plätze bestimmt sind.
Als die zehn anderen Jünger das hörten, wurden sie sehr ärgerlich über Jakobus und Johannes.
Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.
Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.