„Heilige“ sind nicht nur die, deren Namen im Heiligenkalender stehen, sondern alle, die das Ziel des Lebens gut und ganz erreicht haben, die also „ewig selig“ geworden sind, schlicht gesagt „die im Himmel sind“.
„Heilige“ sind nicht nur die, deren Namen im Heiligenkalender stehen, sondern alle, die das Ziel des Lebens gut und ganz erreicht haben, die also „ewig selig“ geworden sind, schlicht gesagt „die im Himmel sind“.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zu Allerheiligen 1. November 2003,
(Mt 5,1-12a)
An Allerheiligen hören wir das Programm aller Heiligen. Wer so lebt wie Jesus es in acht Anläufen beschreibt, der wird „selig“ werden. Wer das in acht Punkte zusammengefasste Lebensprogramm Jesu übernimmt, dem verspricht er, dass er ganz und gar und für immer glücklich werden wird.
„Heilige“ sind nicht nur die, deren Namen im Heiligenkalender stehen, sondern alle, die das Ziel des Lebens gut und ganz erreicht haben, die also „ewig selig“ geworden sind, schlicht gesagt „die im Himmel sind“. Das sind, so dürfen wir hoffen, unendlich viel mehr Menschen, als alle, die im Verzeichnis der Heiligen namentlich stehen.
Es sind sicher viele. Sind es alle? Kommen wir alle in den Himmel? Wir dürfen es hoffen. Jesus spricht von einer engen Tür, durch die jeder muss, der das letzte Ziel, die Seligkeit des Himmels, erreichen will. Heute zeigt er acht Wege, wie man durch die schmale Pforte zum ewigen Glück kommen kann. Acht Haltungen, Lebenssituationen, Lebenseinstellungen, für die Jesus gewissermaßen eine Erfolgsgarantie gibt. Dabei vertröstet er nicht einfach auf eine ungewisse Zukunft nach dem Tod, die wir ja nicht kontrollieren können, weil keiner von uns schon ganz „drüben“ war. Jetzt schon nennt Jesus alle die „selig“, die auf diesen acht Wegen gehen. Damit riskiert er, dass sein Programm jederzeit überprüft werden kann.
Und gerade da wird es kritisch. Denn wenigstens die Hälfte dieser acht „Glücksregeln“ klingen so, dass kaum jemand Lust bekommt, sich auf ein solches Programm einzulassen. Was ist glücklich daran, arm, trauernd, verfolgt, verlacht, verachtet zu sein? Genau das will doch keiner freiwillig. Zweifellos, und Jesus bestreitet auch nicht, dass all das ein Unglück und großes Leid bedeutet. Aber er schaut von diesem Leid nicht weg. Es gibt auf dieser Erde weit mehr Arme als Wohlhabende. Es gibt unermesslich viel Leid, Tränen und Trauer. Und wie viele Menschen leiden nicht unter Verachtung, Spott, Quälereien aller Art. Allen diesen sagt Jesus nicht: Pechgehabt! Ihr seid halt nicht auf der Sonnenseite des Lebens gelandet, ihr müsst euch mit eurem Unglück abfinden.
Im Gegenteil: Jesus gibt in feierlichster Form die Zusage, dass alle Tränen getrocknet, alle Not beendet werden wird. Er tut es mit einer sprachlichen Wendung, die nur von seiner jüdischen Muttersprache her verständlich ist. Da die Juden den Namen Gottes aus Ehrfurcht möglichst nicht in den Mund nehmen, umschreiben sie ihn gerne: „Sie werden getröstet werden“ heißt „Gott selber wird sie trösten“. Oder „Ihnen gehört das Himmelreich“ heißt „Gott selber schenkt ihnen sein Reich, nimmt sie auf in seine selige Gemeinschaft“.
Jesus sagt den Armen und Leidenden dieser Welt sicher zu, dass Gott auf ihrer Seite steht. Für ihn sind sie nicht die Vergessenen und Verstoßenen. Darum nennt Jesus sie „selig“.
Ist das nicht doch eine Vertröstung? Nein, denn Jesus nennt auch all jene selig, die sich mit Gott auf die Seite der Notleidenden stellen.
Selig nennt er die Gewaltlosen, die Barmherzigen, die nicht an der Not des anderen vorbeigehen, die Friedenstifter und alle, die sich mit ganzer Kraft für die Gerechtigkeit unter uns Menschen einsetzen.
Menschen mit geraden, reinen Herzen, nennt Jesus selig, weil Gott ganz nahe. Solche Menschen machen andere glücklich, sie trösten und lindern Not. In ihnen wird spürbar, dass Gott kein Leid übersieht.
Ein Stück Himmel wird schon in diesem irdischen „Tränental“ gegenwärtig. Gibt es ein besseres Glücksprogramm?
In jener Zeit, als Jesus die vielen Menschen sah, die ihm folgten, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm.
Dann begann er zu reden und lehrte sie.
Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden. Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden. Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen. Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt.