Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!
Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum Fest des Weihetages der Lateranbasilika,
9. November 2003,
(Joh 2,13-22)
Ein Fest verdrängt den heutigen Sonntag. Daher nicht wie üblich an den Sonntagen dieses Jahres ein Stück aus dem Markusevangelium, sondern eine Szene aus dem Johannesevangelium. Es ist bei uns kein sehr bekanntes Fest, dieser 9. November, der heuer auf einen Sonntag fällt. Die Kirche misst ihm dennoch so starke Bedeutung bei, dass sie es statt des Sonntags feiert. Nicht nur in Rom, sondern überall in der Weltkirche.
Es ist das Kirchweihfest der Lateranbasilika in Rom. Für die vielen Rombesucher, Pilger und Touristen, sind der Petersdom, die Sixtinische Kapelle und die vatikanischen Museen viel wichtiger. Die Wenigsten wissen, dass nicht der Petersdom, sondern die Lateranbasilika die eigentliche Bischofskirche des Papstes ist, der ja zuerst der Bischof von Rom ist. Dort hat der Papst, wie alle seine Vorgänger, seinen eigentlichen Bischofssitz in Rom. Auch wenn er im Vatikan lebt, bei Sankt Peter, das vor allem die Grabeskirche des Apostels Petrus ist.
Heute ist also das Kirchweihfest der Bischofskirche von Rom. Über ihrem Eingang steht auf Lateinisch: „Mutter und Haupt aller Kirchen“. Weil der Bischof von Rom als Nachfolger des Apostels Petrus den Vorsitz unter allen Bischöfen hat, kommt auch seiner Kirche diese Stellung zu. Der „Kirtag in Rom“ ist sozusagen Kirtag der weltweiten Kirche.
Im Evangelium dieses Festes geht es freilich nicht so heiter und ausgelassen zu, wie wir uns für gewöhnlich einen Kirtag vorstellen. Es ist die dramatische Szene wie Jesus in „heiligem Zorn“ die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel in Jerusalem vertreibt. Also genau das Gegenteil unserer Kirtage mit Marktständen, Ringelspielen und Festzelten.
Zeigt sich Jesus hier als enger Fanatiker, als überstrenger Eiferer? War er ein Revolutionär, der hier den Aufstand probte, der dann kläglich scheiterte und mit der damals für Aufständische üblichen Todesstrafe, der Kreuzigung endete?
Um das jüdische Osterfest herum, wenn viele tausende Pilger in Jerusalem waren, hatten die römischen Besatzungstruppen Alarmstufe eins. Überall waren Soldaten. Zwar nicht im Tempelbereich, aber rundherum. Sie hätten sofort jeden Aufstandsversuch blutig niedergeschlagen, wie wir es heute täglich im unseligen Kriegszustand im Heiligen Land erleben. Jesus hat alleine gehandelt, und seine „Tempelreinigung“ war vor allem eine symbolische, zeichenhafte Handlung: „Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle“.
Der Tempel ist Gotteshaus, nicht Jahrmarktshalle. Das erweckt Jesu Eifer und Zorn. Was würde er heute zum Verhalten vieler Leute in unseren Kirchen sagten? Wie lärmend und ehrfurchtslos geht es in manchen Kirchen zu!
Aber Jesus hat nicht nur das äußere Verhalten im Sinn. Dieses ist ja Ausdruck einer inneren Haltung. Für Jesus ist die Ehrfurcht vor dem Heiligtum des Gotteshauses Zeichen dafür, dass die Menschen sich selber als „Tempel Gottes“ erkennen. Er, Christus, der Sohn Gottes, ist „Wohnstatt“ Gottes unter dem Menschen. Er will, dass alle Menschen Gott in sich tragen, ihren Leib als Tempel Gottes heilig halten. Und er will, dass wir diesen Tempel vom Jahrmarkt unserer Eitelkeit und Sünden befreien. Das ist der Kirtag, den Er sich wünscht. Ihn weltweit zu feiern macht Sinn.
Das Paschafest der Juden war nahe und Jesus zog nach Jerusalem hinauf.
Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen.
Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus, dazu die Schafe und Rinder; das Geld der Wechsler schüttete er aus und ihre Tische stieß er um. Zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!
Seine Jünger erinnerten sich an das Wort der Schrift: Der Eifer für dein Haus verzehrt mich. Da stellten ihn die Juden zur Rede: Welches Zeichen lässt du uns sehen als Beweis, dass du dies tun darfst?
Jesus antwortete ihnen: Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten. Da sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten?
Er aber meinte den Tempel seines Leibes. Als er von den Toten auferstanden war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte.