Denn immer noch ist Maria unterwegs, um Jesus, ihr Kind, zu den Menschen zu bringen. Das will sie zu Weihnachten. In jedem Haus.
Denn immer noch ist Maria unterwegs, um Jesus, ihr Kind, zu den Menschen zu bringen. Das will sie zu Weihnachten. In jedem Haus.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 4. Adventsonntag 21. Dezember 2003,
(Lk 1,39-45)
Eine alte Überlieferung sagt, der hl. Lukas, der Verfasser des dritten Evangeliums, sei Maler gewesen. Dass er von Beruf Arzt war, wissen wir durch den Apostel Paulus, den er auf seinen Missionsreisen begleitet hat. Deshalb ist Lukas auch Patron der Ärzte. Ob er wirklich Maler war, wissen wir nicht mit Sicherheit. Sicher ist, dass auch die Maler seit langem Lukas als ihren himmlischen Schutzpatron verehrt haben. Manch uralte Ikonen, besonders Mariendarstellungen, werden der Malkunst des Lukas zugeschrieben.
Legenden haben meist einen wahren Kern. Keinem Evangelisten verdanken wir so viele Szenen aus dem Leben Jesu, die die Maler inspiriert und bewegt haben. Das Evangelium von der Geburt Jesu in Bethlehem verdanken wir ihm. Neben der Darstellung der Kreuzigung Jesu ist kein anderes Motiv so oft künstlerisch gestaltet worden, wie das Weihnachtsgeschehen mit dem neugeborenen Kind in der Krippe. Nimmt man zu den bildlichen Darstellungen auch noch die plastischen, besonders die Krippen, dann kommen wir ins Unzählbare.
Lukas verstand es meisterhaft, malerische Motive zu liefern. Wir werden ihnen im Laufe dieses (Kirchen-) Jahres, das mit dem ersten Adventsonntag begonnen hat, noch oft begegnen, denn es ist das Jahr, in dem Sonntag für Sonntag Abschnitte aus dem Lukasevangelium gelesen werden.
Malerisch ist das Motiv des heutigen Sonntags, und zahllose Male ist es von Malern aller Jahrhunderte dargestellt worden. Die "Heimsuchung" wurde es früher genannt. Es ist der Besuch Marias bei ihrer Verwandten Elisabeth.
Der Blick der Künstler fiel meist auf die Szene der Begegnung. Maria tritt ein ins Haus der Elisabeth und begrüßt sie. Diesen Moment haben die Maler festgehalten. Die beiden schwangeren Frauen begegnen einander. Maria, die jüngere, noch am Anfang ihrer Schwangerschaft, umarmt die ältere Elisabeth, die unfruchtbar war und nun trotz ihres Alters durch ein Wunder doch noch schwanger wurde und schon im sechsten Monat ist.
Zwei schwangere Frauen umarmen sich. Das Motiv bewegt die Herzen. Denn beide Frauen tragen unter ihrem Herzen ein Kind, und das ist immer etwas Geheimnisvolles. Jeder von uns hat dort sein Leben begonnen: im Schoß der Mutter. Und jede Mutter bewahrt ihr Kind im Herzen, auch lange nach der Geburt.
Lukas bringt aber auch zur Sprache, was sich bildlich nicht darstellen lässt. Auch die Kinder begrüßen einander. Elisabeth spürt, wie ihr Kind, das einmal als Johannes der Täufer Jesu den Weg bereiten wird, in ihrem Schoß hüpft. Seine Mutter ahnt, ja spricht es aus, was in dieser Begegnung geschieht. Sie grüßt ihre junge Verwandte als "die Mutter meines Herrn". Elisabeth freut sich nicht nur, dass Maria ihr helfen kommt. Sie freut sich noch mehr, dass Maria ihr Jesus bringt, "die gebenedeite, das heißt gesegnete, Frucht deines Leibes".
In jedem "Gegrüßet seist du, Maria" wird der Gruß der Elisabeth wiederholt. Immer ist es die Freude darüber, dass Maria Jesus bringt, dass durch sie Jesus nicht nur "in das Haus des Zacharias" kommt, sondern in jedes. Denn immer noch ist Maria unterwegs, um Jesus, ihr Kind, zu den Menschen zu bringen. Das will sie zu Weihnachten. In jedem Haus.
In jenen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.