Am Anfang der Jahres stehen zwei Namen, die Weggeleit durch alle kommenden Tage sein können: Jesus und Maria.
Am Anfang der Jahres stehen zwei Namen, die Weggeleit durch alle kommenden Tage sein können: Jesus und Maria.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum Hochfest der Gottesmutter Maria, 1. Januar 2004,
(Lk 2,16-21)
Acht Tage sind seit Weihnachten vergangen. Der Silvesterwirbel hat die Stille der Heiligen Nacht verdrängt. Es hilft in turbulenten Zeiten, der Ruhe und der Nachdenklichkeit Raum zu geben. Dazu lädt das Evangelium heute ein.
Nochmals sehen wir die Hirten, die vom Feld nahe bei Bethlehem kommen und bestätigt finden, was ihnen der Engel, der Gottesbote, gesagt hat. Sie erzählen es, und andere erzählen es weiter. Für eine kurze Zeit ist es Tagesgespräch in der Nachbarschaft: Dieses neugeborene Kind ist etwas Besonderes. Man verheißt ihm eine große Zukunft. Er soll, wie vor Jahrhunderten der große König David, sein Volk befreien. Josef, sein Vater, ist zudem ein Nachkomme Davids. So wird geredet und gerätselt, Hoffnungen erwachen, aber wohl auch Zweifel: Wie soll aus diesem Kind armer Eltern ein Retter für das ganze Volk werden?
Während die Leute reden, und dann wohl bald zum nächsten Thema der örtlichen Aktualität wechseln, hat Maria eine andere Haltung. Ist das nicht bei den meisten Menschen so, dass sie sich alles, was ihr Kind betrifft, zu Herzen nehmen, es im Herzen bewahren, darüber nachdenken? Nichts entgeht der Mutter, kein Lächeln ihres Kindes, kein Wort, das über es gesagt wird. Und manche Ahnung, Hoffnung, Befürchtung bewegt ihr Herz: Was wird einmal aus meinem Kind?
Maria hat nicht nur unbestimmte Ahnungen. Ihr Kind hat sie ja nicht von Josef empfangen. Gott hat es ihr geschenkt, nachdem sie dem Engel ihr Jawort zu Gottes Plan gegeben hat. Andere mögen bezweifeln, dass es so war, mögen sie verdächtigen, sie habe einen "Seitensprung" gemacht. Sie weiß, woher dieses Kind ist, das ihr geschenkt wurde. Sie bewahrt jedes Wort im Gedächtnis, das der Engel zu ihr über die Zukunft ihres Kindes gesagt hat. Warum sollte ich ihr nicht glauben? Josef, ihr Verlobter, hat ihr geglaubt.
Es tut mir gut, am Anfang des neuen Jahres auf Maria zu schauen, wie sie mit ihrer Geschichte umgeht. Ihre Haltung täte uns wohl: innezuhalten und darüber nachzudenken, wie Gott in meinem Leben handelt. Hinzuschauen, wo Er mir Zeichen gibt, dass Er den roten Faden meines Lebensweges legt. Ich denke, wir werden einmal staunen, wenn wir "drüben" sehen werden, wie alles zusammenhängt und Sinn ergibt.
Heute, acht Tage nach Weihnachten, erfolgt ein zweifacher Ritus nach jüdischem Brauch: die Namensgebung und die Beschneidung. Jesus ist damit als Jude ausgewiesen. Die Beschneidung ist das äußere Zeichen der Zugehörigkeit zum Volk, mit dem Gott seinen Bund geschlossen hat. Man kann Jesus nicht von seinem Volk trennen, auch wenn er bis heute im Judentum umstritten ist.
Auch sein Name zeigt eindeutig, dass er Jude ist: Jeschua, Jesus ist damals ein häufiger Name. Er drückt eine große Hoffnung aus, denn es bedeutet "Gott rettet". So deutet auch der Engel dem Josef den Namen, den er dem Kind geben soll, das Maria empfangen hat: "Er wird sein Volk von seinen Sünden befreien". Wir Christen glauben, dass dieser Name noch eine tiefe Bedeutung hat: "Jesus" sagt nicht nur, dass Gott der Retter ist. Jesus ist selber der rettende Gott, der ein Menschenkind geworden ist, um uns zu Gotteskindern zu machen. Am Anfang der Jahres stehen zwei Namen, die Weggeleit durch alle kommenden Tage sein können: Jesus und Maria.
So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war.
Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten. Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.
Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten; denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war.
Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, noch ehe das Kind im Schoß seiner Mutter empfangen wurde.