Gottes Methode ist dabei nicht Zwang, sondern geduldiges Führen und Leiten. Eines Tages, vielleicht erst am letzten, werden wir sehen, wie sehr uns Gott wirklich liebt.
Gottes Methode ist dabei nicht Zwang, sondern geduldiges Führen und Leiten. Eines Tages, vielleicht erst am letzten, werden wir sehen, wie sehr uns Gott wirklich liebt.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum Dreifaltigkeitssonntag, 6. Juni 2004,
(Joh 16,12-15)
Es ist eine Frage, die die Welt bewegt, religiös, politisch, zukunftsbestimmend: Hat Jesus schon alles gesagt, oder steht Wichtiges noch aus? War Jesus der endgültige, entscheidende Gottesbote, oder kommt dieser noch? War die Botschaft Jesu eine Etappe, oder ist sie Höhepunkt und Abschluss von dem, was Gott der Welt zu sagen hat?
Typische theologische Spitzfindigkeiten, werden Sie vielleicht sagen. Diese Fragen bewegen die Köpfe von Gelehrten, aber nicht die Herzen der Menschen. Weit gefehlt, sie bestimmen heute große Teile des Weltgeschehens. Die größte Religionsgemeinschaft der Erde, das Christentum, ist der Überzeugung, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, in dem Gott alles Wesentliche zur Welt gesprochen und für uns Menschen getan hat. Die zweitgrößte Religion, der Islam, sieht in Jesus einen Propheten, einen bedeutenden Gottesboten. Aber die endgültige Offenbarung kam nicht durch ihn, sondern durch den Koran, den Mohammed von Gott erhalten hat.
Auch dazu könnte jemand sagen: Sollen sie doch untereinander diskutieren, wer jetzt Recht hat! Aber was hat das mit meinem Leben zu tun? Es betrifft heute sehr wohl fast die ganze Welt. Denn beide Religionen berufen sich auf den Auftrag ihres Gründers und sind bemüht, alle Menschen für ihren Glauben zu gewinnen. Beide sind missionarisch, wirken weltweit zur Ausbreitung ihres Glaubens. Christentum und Islam kennen und praktizieren Weltmission. Die Methoden waren und sind dabei nicht immer nur friedlich. Oft hat es leider dabei Druck und Zwang gegeben - und gibt es bis heute. Dem Auftrag Jesu entspricht das sicher nicht. Er hat sicher nicht den Auftrag gegeben, Menschen zum Glauben an ihn und seine Botschaft zu nötigen. Er wollte durch sein Wort, sein Beispiel und vor allem durch die Hingabe seines Lebens die Herzen gewinnen und ihnen Gottes barmherzige Liebe schenken. Und seinen Gläubigen hat er aufgetragen, genau so und nur auf diesem Weg Menschen zum Glauben zu führen.
Doch was hat das alles mit dem heutigen Evangelium zu tun? Es stellt genau diese Frage: Hat Jesus schon alles gesagt? "Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen." Hat Jesus zu seinen Lebzeiten noch manches zurückgehalten, was erst später geoffenbart werden sollte? Dann könnte es ja wirklich so sein, dass erst spätere Propheten vervollständigt haben, was Jesus begonnen hat. Dann könnte Jesus wirklich nur eine Etappe gewesen sein.
Jesus selber hat das, so glauben wir, anders gesehen. Kurz zuvor sagt er zu seinen Jüngern im Abendmahlssaal: "Ich habe euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe." Jesus hat wirklich die ganze Botschaft von Gott gebracht. Er ist der "geliebte Sohn", in dem Gott der Welt sein größtes Geschenk gemacht hat. Nur sind wir zu klein, um es gleich ganz zu erfassen. Unsere Herzen sind noch nicht weit genug, um dieses Geschenk ganz aufzunehmen.
Deshalb hat Jesus versprochen, dass er uns seinen Geist schenken wird, der uns Schritt für Schritt immer tiefer in die Wahrheit hineinführen soll. Der Heilige Geist macht unsere Herzen Stück für Stück weiter und größer, damit wir allmählich erfassen, was Jesus für uns bedeutet. Gottes Methode ist dabei nicht Zwang, sondern geduldiges Führen und Leiten. Eines Tages, vielleicht erst am letzten, werden wir sehen, wie sehr uns Gott wirklich liebt.
Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.
Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird.
Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden.
Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden.