Sie haben bald entdeckt, dass der Weg, den Jesus ihnen vorgezeigt hat, der einzig richtige ist.
Sie haben bald entdeckt, dass der Weg, den Jesus ihnen vorgezeigt hat, der einzig richtige ist.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 12. Sonntag im Jahreskreis, 20. Juni 2004
(Lk 9,18-24)
Die Szene ist den Aposteln unvergesslich in Erinnerung geblieben. Sie müssen oft davon erzählt haben. Drei der vier Evangelien berichten davon, am ausführlichsten Matthäus. Der Ort, an dem sie geschah, war abgelegen, einsam, bei Cäsarea Philippi, im Norden von Galiläa, bei den Jordanquellen. Lukas hebt hervor, dass Jesus sich in dieser Einsamkeit besonders dem Gebet widmete.
In dieser stillen, abgeschiedenen Stunde stellt Jesus offen eine Frage, die seine Begleiter bewegte, seit sie Jesus begegnet sind: Wer ist er wirklich? Was steckt hinter dem Zimmermann aus Nazareth? Die Frage bewegt offensichtlich die Menschen, die ihn erlebt haben. Alle möglichen Meinungen sind im Umlauf. Sie haben etwas gemeinsam: Jesus ist jemand Besonderer, ein Gottesmann wie Johannes der Täufer, ein Prophet wie Elia oder einer der Propheten der früheren Jahrhunderte.
Bis heute gehen die meisten Meinungen in diese Richtung. Der Islam sieht in Jesus einen großen, bedeutenden Propheten. Viele halten ihn für eine Art religiöses Genie, einen bewundernswerten Menschen, einen der großen Religionsstifter neben Buddha, Moses, Mohamed und anderen.
„Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Diese Frage richtet sich nicht mehr an die öffentliche Meinung, sondern wird ganz persönlich: Ihr seid jetzt schon eine ganze Weile mit mir unterwegs, ihr habt euren Beruf und eure Familien verlassen, um mit mir ein mühsames, unstetes Unterwegssein zu teilen. Ihr seid mir bisher nachgefolgt, habt mein Leben kennen gelernt, ihr habt gehört, was ich den Menschen sage, habt erlebt, wie Blinde wieder sehen, Lahme gehen, sogar Tote auferweckt werden. Was denkt ihr nach all dem über mich?
„Wir halten dich für den Messias!“, antwortet Petrus, ohne Zögern. Ja, das haben wir von Anfang an gedacht, als wir dich kennen lernten. Am Anfang war es eine Frage, jetzt ist es eine Gewissheit geworden: Du bist der, auf den unser Volk seit Generationen wartet, der verheißene Befreier und Retter; du bist der „Gesalbte Gottes“ (das heißt das Wort Messias), der Christus (das griechische Wort für den Gesalbten, den Messias).
Endlich ist es offen ausgesprochen. Jetzt ist alles klar. Jesus bestätigt es, in Zukunft wissen sie, woran sie sind. Doch kaum ist es gesagt, da kommt eine unerwartete Wende. Statt von dem zu reden, was damals alle vom kommenden Messias erwarten, vom Frieden, von der Befreiung, vom Ende allen Leides und aller Tränen, spricht Jesus von Leiden, die ihm bevorstehen, von Verfolgung und Tod und – sehr rätselhaft – von einer Auferstehung.
Mehr noch: wenn seine Begleiter ihm weiter nachfolgen wollen, müssen sie ebenfalls bereit sein, Mühen und Leiden auf sich zu nehmen. So hatten sie sich nicht den Messias vorgestellt, von ihm und für sich haben sie sich wirklich anderes erwartet.
Trotzdem haben sie sich darauf eingelassen. Sie haben bald entdeckt, dass der Weg, den Jesus ihnen vorgezeigt hat, der einzig richtige ist. Er hat sich im Alltag bewährt. Sie haben erlebt, dass Jesus recht hat: Wer sich täglich selbst verleugnet, wer Tag für Tag darum kämpft, seine Schwächen zu überwinden, seine Mühen auf sich zu nehmen, sein Kreuz zu tragen (und wer geht ganz ohne ein Kreuz durchs Leben?), der erlebt, wie er dabei nicht allein gelassen ist: Der Messias, Christus, der Heiland, wird mit ihm sein. Er ist wirklich der Retter. Bis heute.
Jesus betete einmal in der Einsamkeit, und die Jünger waren bei ihm. Da fragte er sie: Für wen halten mich die Leute?
Sie antworteten: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija; wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden.
Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Petrus antwortete: Für den Messias Gottes. Doch er verbot ihnen streng, es jemand weiterzusagen.
Und er fügte hinzu: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er wird getötet werden, aber am dritten Tag wird er auferstehen.
Zu allen sagte er: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.