Wenn die Ernte reif ist, eilt es
Wenn die Ernte reif ist, eilt es
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 14. Sonntag im Jahreskreis, 4. Juli 2004,
(Lk 10,1-12.17-20)
Wenn die Ernte reif ist, eilt es. Man kann nicht lange zuwarten. Die Zeit drängt. Wird die Ernte nicht zügig eingebracht, dann verkommt sie. Sie verrottet und verdirbt.
Im Wort Jesu ist Drängen und Not zu spüren: "Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter." Er sieht, wie die Felder reif sind und dass es dramatisch an Erntearbeitern mangelt.
Um welche Ernte handelt es sich? Und um welche Arbeiter?
Der Acker, auf dem die Ernte wartet, um eingebracht zu werden, ist denkbar groß: die ganze Erde. Jesus hat nicht nur den kleinen Flecken Erde im Sinn, auf dem er lebt: sein heimatliches Galiläa, das Heilige Land. Ihm geht es von Anfang an um die ganze Welt. Seine Botschaft soll alle Völker erreichen, sie ist für alle Menschen bestimmt. Darum sendet er seine Boten in alle Länder der Erde. Nach damaliger jüdischer Vorstellung gab es zweiundsiebzig Nationen auf Erden.
Darum wählte Jesus zu den zwölf Aposteln noch "zweiundsiebzig andere Jünger aus und sandte sie zu zweit voraus in alle Städte und Ortschaften, in die er selber gehen wollte". Zuerst geht es nur darum, dass sie in den Orten Galiläas überall das Kommen Jesu vorbereiten. Sie sollen ihm den Boden bereiten, ihm bei seiner "Tournee" durch Galiläa helfen. Doch das ist erst der Anfang. Später wird es darum gehen, alle Länder der Erde zu erreichen, um Jesus den Boden zu bereiten, denn bis heute will er mit seiner Botschaft der Versöhnung und Liebe zu allen Menschen kommen.
Schon damals, bei der ersten Aussendung von "Missionaren", hat Jesus ihnen klare "Missionsregeln" mitgegeben. Wo sie sich im Laufe der Jahrhunderte daran gehalten haben, dort ist daraus ein Segen geworden. Wo nicht, kam es zu oft schlimmen Missbräuchen und Fehlformen.
Heute steht die Frage der Mission wieder klar und herausfordernd vor uns. Überall auf unserem Globus sind Religionen und Heilslehren missionarisch unterwegs: christliche Gruppen und Kirchen, der Islam, die asiatischen Religionen, aber auch Ideologien (denken wir zurück, wie der Kommunismus die Welt erobern wollte) und Weltanschauungen. Wie aber wird von diesen vielen Kräften "missioniert"? Mit Gewalt, Druck und Macht? Oder mit großer Achtung vor dem Gewissen und der Freiheit jedes Einzelnen?
Jesus hat seinen Missionaren klare Weisungen gegeben. Nicht wie reißende Wölfe, sondern genau umgekehrt: "Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe." Jahr für Jahr werden auf der ganzen Welt Missionare umgebracht, einfach weil sie sich für die Armen und Rechtlosen einsetzen oder weil sie das Evangelium unter die Menschen bringen.
Jesus hat selber arm gelebt und auf Gottes Vorsehung vertraut. Das wollte er auch von seinen Missionaren. Dieses gelebte Vorbild hat oft mehr überzeugt als alle Worte. Bis heute ist das der glaubwürdigste Weg der Mission. Ich denke an einen Bischof Erwin Kräutler unter den Indios am Amazonas. Und an viele weniger Bekannte, die die Liebe Christi einfach unter den Menschen leben.
Jesus drängt es, dass viele Menschen sich von ihm begeistern und senden lassen, denn die Ernte ist riesengroß. Es können gar nicht genug Arbeiter da sein, um die Ernte einzubringen. Sehen wir nicht, wie sehr unsere Welt überreif ist für die Frohe Botschaft Jesu?
Danach suchte der Herr zweiundsiebzig andere aus und sandte sie zu zweit voraus in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte.
Er sagte zu ihnen: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.
Geht! Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe! Grüßt niemand unterwegs!
Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als Erstes: Friede diesem Haus! Und wenn dort ein Mann des Friedens wohnt, wird der Friede, den ihr ihm wünscht, auf ihm ruhen; andernfalls wird er zu euch zurückkehren. Bleibt in diesem Haus, esst und trinkt, was man euch anbietet; denn wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn. Zieht nicht von einem Haus in ein anderes!
Wenn ihr in eine Stadt kommt und man euch aufnimmt, so esst, was man euch vorsetzt. Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt den Leuten: Das Reich Gottes ist euch nahe.
Wenn ihr aber in eine Stadt kommt, in der man euch nicht aufnimmt, dann stellt euch auf die Straße und ruft: Selbst den Staub eurer Stadt, der an unseren Füßen klebt, lassen wir euch zurück; doch das sollt ihr wissen: Das Reich Gottes ist nahe. Ich sage euch: Sodom wird es an jenem Tag nicht so schlimm ergehen wie dieser Stadt.
Die Zweiundsiebzig kehrten zurück und berichteten voll Freude: Herr, sogar die Dämonen gehorchen uns, wenn wir deinen Namen aussprechen.
Da sagte er zu ihnen: Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen. Seht, ich habe euch die Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und die ganze Macht des Feindes zu überwinden. Nichts wird euch schaden können.
Doch freut euch nicht darüber, dass euch die Geister gehorchen, sondern freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind.