Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt,
Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt,
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 22. Sonntag im Jahreskreis, 29. August 2004,
(Lk 14,1.7-14)
Man beobachtete ihn genau. Das war keine wohlwollende Beobachtung. Man war misstrauisch und war darauf aus, gute Gründe für das eigene Misstrauen zu finden. War Jesus wirklich fromm? Hielt er sich streng an Gottes Gebote, besonders an die heilige Sabbatruhe? War er nicht doch ein Umstürzler? Je mehr Jesus Gutes tat, desto kritischer wurden die Beobachter. Ist er nicht zu gut, zu tolerant? Er setzt sich nicht nur mit dem frommen Pharisäer an den Tisch, sondern auch mit öffentlichen Sündern, den Steuereintreibern, den Prostituierten. Und er sagt offen: Die Kranken brauchen den Arzt; ich bin für die Sünder gekommen, die brauchen Heilung.
Auch Jesus beobachtet genau. Aber anders als die, die ihre negativen Vorurteile bestätigt finden wollen. Jesus sieht die Menschen als Seelenarzt. Er sieht unerbittlich klar unsere Fehler und Schwächen. Er durchschaut sofort das tägliche Spiel der Eitelkeit, der Wichtigtuerei. Alles drängelt und drängt nach vorne, zu den Ehrenplätzen des Gastmahls. Erröte ich bei der Erinnerung, wie ich da und da genau so eitel gehandelt habe?
Ist der gute Rat Jesu nicht doch noch ein Trick? Wähle einen unteren Platz beim Gastmahl, dann wirst du vielleicht vor allen hinaufgebeten: "Mein Freund, rücke hinauf!" Es ist kein Trick, sondern ein Test. Wenn ich den bescheidensten Platz wähle und gerade deshalb übersehen werde und unten "hängen bleibe", unbeachtet von den Ehrengästen, was dann? Bin ich böse, sauer, bitter? Oder habe ich ehrlich einen niedrigen Platz gewählt? An meinem Gesicht wird jeder sehen können, wie der Test ausgeht. Habe ich mit dem Herzen erfasst, dass es darauf ankommt, wie ich vor Gott dastehe, und nicht, ob die Menschen mir einen Ehrenplatz einräumen?
Hier bekommt die Beobachtung Jesu erst ihre ganze Tiefe und Tragweite. Das Gastmahl ist ein Abbild, eine Vorahnung des himmlischen Festmahls. Wenn Jesus vom Himmel spricht, dann nimmt er gerne das Bild vom Hochzeitsmahl. Was werden wir staunen, wenn wir - hoffentlich! - alle einmal am himmlischen Festmahl teilnehmen dürfen! Wer wird da die Ehrenplätze einnehmen? Nicht die, die sich auf Erden immer nach vorne gerudert haben. Nur die, die in Gottes Augen groß sind, werden oben sitzen. Vielleicht werden das gerade die sein, die vor den Menschen als "kleine Leute" gelten, aber ein großes Herz hatten.
Deshalb die zweite Beobachtung Jesu: Unter euch gibt es so viel Berechnung! Du lädst mich ein, so lade auch ich dich ein! Nein! Gerade die sollst du einladen, die dir nichts zurückgeben können. Genau das tut doch Gott mit dir! Was kannst du ihm schon anbieten? Und dennoch lädt er dich als seinen Gast ein, jeden Sonntag! Mach es wie Er!
Als Jesus an einem Sabbat in das Haus eines führenden Pharisäers zum Essen kam, beobachtete man ihn genau.
Als er bemerkte, wie sich die Gäste die Ehrenplätze aussuchten, nahm er das zum Anlass, ihnen eine Lehre zu erteilen.
Er sagte zu ihnen: Wenn du zu einer Hochzeit eingeladen bist, such dir nicht den Ehrenplatz aus. Denn es könnte ein anderer eingeladen sein, der vornehmer ist als du, und dann würde der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat, kommen und zu dir sagen: Mach diesem hier Platz! Du aber wärst beschämt und müsstest den untersten Platz einnehmen.
Wenn du also eingeladen bist, setz dich lieber, wenn du hinkommst, auf den untersten Platz; dann wird der Gastgeber zu dir kommen und sagen: Mein Freund, rück weiter hinauf! Das wird für dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen.
Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. Dann sagte er zu dem Gastgeber: Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, so lade nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich ein, und damit ist dir wieder alles vergolten.
Nein, wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie können es dir nicht vergelten; es wird dir vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten.