Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen.
Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 25. Sonntag im Jahreskreis, 19. September 2004,
(Lk 16,1-13)
Dienen müssen wir so oder so. Das ist die nüchterne Feststellung Jesu im heutigen Evangelium. „Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.“ Wörtlich heißt es: Sklaven sein. Dem Mammon gegenüber Sklave sein – das ist sicher eine Gefahr. Der Reiche glaubt, das Geld mache ihn fei. In Wirklichkeit beherrscht es ihn.
Jesus spricht hier eine vielfach beobachtete Tatsache an. „Geld regiert die Welt.“ Was bringt das? Wie kann der Profit gesteigert werden? Wie werden die Börsenkurse in die Höhe gebracht? Das sind die Fragen, die die Welt beherrschen. Und es scheint sich daran auch nichts zu ändern, trotz aller frommen Beteuerungen.
Es fällt schwer zu glauben, dass es in der Weltpolitik zuerst um die großen Ideale gehe und nicht um die beinharten wirtschaftlichen Interessen. Und sieht man näher hin, dann kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass die „Großen dieser Welt“ eher die unfreien Knechte dieser Interessen sind als deren freie Gestalter. Alle sind ständig von so genannten „Sachzwängen“ getrieben, die die wirtschaftlichen Kräfte ihnen auferlegen.
Noch unfreier aber sind die „Kleinen dieser Welt“. Die Not zwingt sie, um das tägliche Überleben zu kämpfen. Immer mehr Menschen müssen auch bei uns, in der Wohlstandsfestung Europa, jeden Euro dreimal umdrehen, ehe sie ihn ausgeben. Die Sorge um das Morgen wird zur drückenden Last aller Tage. Es sieht so aus, als könnten wir alle nicht genug bekommen. Die einen, weil sie immer noch mehr wollen, obwohl sie längst weit mehr haben als was sie wirklich zum Leben brauchen. Die anderen, weil sie nicht einmal vom Notwendigsten genug bekommen können.
Aber haben wir denn die freie Wahl, uns einen anderen Herrn auszusuchen als den Mammon? Wer kann denn der Zwangsherrschaft des Geldes entkommen? Jesus fordert uns sogar ganz entschieden auf, uns von der Sklaverei des Gottes Mammon frei zu machen. Und dazu gibt es nur einen Weg, so sagt er unmissverständlich: Werde ein Diener Gottes! Nur dann bist du frei. Er ist der einzige Herr, der dich nicht versklavt. Wenn du ihm dienst, bist du weder ein Knecht des Geldes noch ein Sklave deiner eigenen Leidenschaften.
Vielleicht ist meine Not, so unfrei zu sein, inzwischen groß genug geworden, dass ich mich danach sehne, frei zu werden. Aber wie stelle ich das an? Wie komme ich aus den „Sachzwängen“ und auch aus der Umklammerung meiner Habgier heraus?
Dazu erzählt Jesus ein erstaunliches Gleichnis. Wie klug, wie „clever“ sind doch „die Kinder dieser Welt“! Sie verstehen es, sich Freunde mit dem Geld (das meist gar nicht ihr eigenes ist) zu machen. Mache es ihnen nach! Nicht ein Betrüger sollst du werden, wie dieser ungerechte Verwalter.
Aber wenn du mehr hast als du unbedingt brauchst, sei großzügig, sei hilfsbereit, denk an die, die in Not sind. Damit zeigst du, dass du nicht ein habgieriger Sklave deines Geldes bist. Es stimmt schon, dass das Geld die Welt regiert. Aber es gibt auch die Weltmacht der Nächstenliebe.
Es wird weltweit unendlich viel Gutes getan, täglich, stündlich. Und diese Großmacht der Güte und Solidarität ist die große Hoffnung für alle, die unfreiwillig unter der Knechtschaft des Mammons leiden. Solange es diese Kraft gibt, ist die Welt nicht verloren.
Noch ein Zweites zeigt Jesus, wie wir von der Sklaverei des Mammons frei werden können: im Kleinen treu und zuverlässig sein. Auch der Betrug, die Korruption, der Missbruch, die Misswirtschaft beginnen im Kleinen. Sie enden oft in Katastrophen. Gott sei Dank sind das nach wie vor die Ausnahmen. Gott sei Dank gibt es auch im Umgang mit dem Geld viel Sorgfalt, Anstand, Zuverlässigkeit. Sie sind die Voraussetzung dafür, dass ein Land nicht im Chaos und im Unrecht versinkt.
Wehe dem Land, dessen einziger Gott der Mammon ist. Er ist kein guter Herrscher.
Jesus sagte zu den Jüngern: Ein reicher Mann hatte einen Verwalter. Diesen beschuldigte man bei ihm, er verschleudere sein Vermögen. Darauf ließ er ihn rufen und sagte zu ihm: Was höre ich über dich? Leg Rechenschaft ab über deine Verwaltung! Du kannst nicht länger mein Verwalter sein. Da überlegte der Verwalter: Mein Herr entzieht mir die Verwaltung. Was soll ich jetzt tun? Zu schwerer Arbeit tauge ich nicht, und zu betteln schäme ich mich. Doch - ich weiß, was ich tun muss, damit mich die Leute in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich als Verwalter abgesetzt bin.
Und er ließ die Schuldner seines Herrn, einen nach dem andern, zu sich kommen und fragte den ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Er antwortete: Hundert Fass Öl. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich gleich hin und schreib «fünfzig». Dann fragte er einen andern: Wie viel bist du schuldig? Der antwortete: Hundert Sack Weizen. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib «achtzig».
Und der Herr lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters und sagte: Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes. Ich sage euch: Macht euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammons, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es (mit euch) zu Ende geht.
Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut es auch bei den großen. Wenn ihr im Umgang mit dem ungerechten Reichtum nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen? Und wenn ihr im Umgang mit dem fremden Gut nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann euer (wahres) Eigentum geben?
Kein Sklave kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben, oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten.
Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.