Glauben heißt ja nicht müßig sein und alles laufen lassen. Ich muss tun, was ich kann, aber das Entscheidende schenkt Gott.
Glauben heißt ja nicht müßig sein und alles laufen lassen. Ich muss tun, was ich kann, aber das Entscheidende schenkt Gott.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 27. Sonntag im Jahreskreis, 3. Oktober 2004,
(Lk 17,5-10)
Was wünscht sich ein Christ in diesen Tagen? Was erhoffen sich viele Gläubige zur Zeit, da wieder einmal die Kirche in den negativen Schlagzeilen steht? Es tut weh, wenn Fehler und Versagen, die es in der großen Gemeinschaft der Kirche gibt, in der Öffentlichkeit breitgetreten werden. Es ist beschämend, dass Sünden und Vergehen unter Christenmenschen geschehen. Es wird sie immer wieder geben, weil Christen Menschen und daher Sünder sind.
Die Versuchung ist groß, sich vor allem eines zu wünschen: dass wieder Ruhe einkehrt. Ein berechtigter, aber ungenügender Wunsch. Wenn Fehler und Versagen öffentlich angeprangert werden, so tut das weh, es ist oft mit Heuchelei verbunden ("Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein", hat Jesus gesagt), aber es ist auch ein Reinigungsprozess, der letztendlich gut und heilsam sein kann.
Mich beeindruckt deshalb, was die Apostel heute im Evangelium von Jesus erbitten. Nicht dass man gut über sie redet; nicht, dass sie "ankommen" und nach menschlichen Maßstäben erfolgreich sind, sondern nur das eine: "Stärke unseren Glauben!"
Sie erbitten wirklich das Wichtigste: einen tiefen, festen Glauben. Das heißt, ein starkes, unerschütterliches Gottvertrauen. Und das heißt wiederum: ganz darauf bauen, dass Gott alles in Seinen guten Händen hält, auch dann, wenn es stürmt, wenn einem heftiger Gegenwind ins Gesicht bläst, wenn menschlich gesehen alles ins Wanken gerät.
Mir kommen Menschen in den Sinn, bei denen ich einen solchen starken Glauben erlebt habe. Sie geben anderen Halt und Zuversicht. Aber was stellen wir uns unter einem "starken Glauben" vor? Was erhofften sich die Apostel von ihrer Bitte? Die Antwort Jesu gibt zu denken: "Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn …" Das Senfkorn ist winzig klein. Jesus sagt also: Schon ein ganz kleiner Glaube kann ganz Großes bewirken. Etwa einen Baum mit tiefen Wurzeln ins Meer versetzen, also geradezu Unmögliches! Stimmt das? Ja, ganz gewiss, wenn ihr den Glauben richtig versteht. Glaube heißt ja: einfach auf Gott vertrauen. Auch wenn dein Gottvertrauen klein wie ein Senfkorn ist, so ist es doch stark und wirksam, wenn es eben auf Gott und nicht nur auf deine eigene Kraft vertraut.
Du glaubst, etwas einfach nicht zu schaffen, ein Problem zu lösen, mit einer Schwierigkeit fertig zu werden. Glauben heißt hier: vertrauen, dass Gott trotzdem helfen kann, dass Er es machen wird, so wie Er es weiß und will!
Jesus erklärt das mit einem etwas herben Gleichnis. Der Knecht muss zuerst alle seine Aufgaben erledigen, dann erst kann er sich selber ausruhen. Er hat deswegen nicht besonderen Dank verdient, wenn er nur seine Pflicht und Schuldigkeit getan hat. Tu das Deine, dann wirkt Gott das Seine. Der hl. Ignatius von Loyola sagt das so: "Handle so, als ob alles von dir abhinge, und bete so, als ob alles von Gott abhinge." Glauben heißt ja nicht müßig sein und alles laufen lassen. Ich muss tun, was ich kann, aber das Entscheidende schenkt Gott. Stärke mein Vertrauen darauf!
Die Apostel baten den Herrn: Stärke unseren Glauben!
Der Herr erwiderte: Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, würdet ihr zu dem Maulbeerbaum hier sagen: Heb dich samt deinen Wurzeln aus dem Boden und verpflanz dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen.
Wenn einer von euch einen Sklaven hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Nimm gleich Platz zum Essen? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich und bediene mich; wenn ich gegessen und getrunken habe, kannst auch du essen und trinken.
Bedankt er sich etwa bei dem Sklaven, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde? So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.