"Wie kann ein guter Gott solches Leid zulassen? Frage das nicht dich, frage es Gott! Rüttle an Gottes Tür, an Seinem Herzen, wie diese Witwe an der Tür des Richters. Jesus zeigt, dass das ein Gebet ist, das Gottes Herz bewegt.
"Wie kann ein guter Gott solches Leid zulassen? Frage das nicht dich, frage es Gott! Rüttle an Gottes Tür, an Seinem Herzen, wie diese Witwe an der Tür des Richters. Jesus zeigt, dass das ein Gebet ist, das Gottes Herz bewegt.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 29. Sonntag im Jahreskreis, 17. Oktober 2004,
(Lk 18,1-8)
Das Gleichnis Jesu ist - wie immer - ganz aus dem Leben gegriffen, dem damaligen wie dem heutigen. Zwei handelnde Personen: der Richter und die Witwe. Wo eine gute Rechtsordnung herrscht, kann eine Witwe in ihrer Not zuversichtlich sein, dass der Richter unbestechlich und gerecht urteilt und ihr Recht verschafft, wo ihr Unrecht geschah. Glücklich das Land, in dem die Richter nach Recht und Gerechtigkeit ihr Urteil sprechen, wo nicht Willkür und Bestechung herrschen. Dass solche Verhältnisse nicht selbstverständlich sind, sehen wir auf fast jeder Seite der Bibel. Immer musste Gott durch die Propheten an das Recht der Armen erinnern. Immer wieder wird davor gewarnt, auf das "Ansehen der Person" mehr zu achten als auf Wahrheit und Gerechtigkeit. Der Test für eine gute Gesellschaft war es immer, ob vor dem Gesetz Arm und Reich, Mächtig und Gering gleich behandelt werden.
Jesus geht davon aus, dass es zu seiner Zeit oft nicht so war. Der Richter des Gleichnisses schert sich nicht um Gott und die Not der Menschen. Bei ihm gelten nur Macht und eigenes Wohlergehen. Die Witwe ist das Bild himmelschreiender Not. Wer kümmert sich um sie? Wer schaut, dass sie zu ihrem Recht kommt? Nie vergesse ich den Anblick dieses Gefängnisses in einem südamerikanischen Land: Wer dort zahlen kann, sitzt nicht lange; wer nicht schmieren kann, bleibt "eingelocht".
Und Gott schaut da zu? Warum lässt Er so viel Unrecht zu? Warum schweigt Er zum Treiben dieses gottlosen Richters? Wo ist Er, wenn die Seinen "Tag und Nacht zu ihm schreien"? Wo war Er bei den Massenvergewaltigungen? Wo in den Foltergefängnissen? Wo in den Stunden des "ich kann nicht mehr" von ausweglosen Situationen?
Jesus will seinen Zuhörern, uns, sagen, wir sollten "allezeit beten". Und Er macht das an der Geschichte dieser Witwe deutlich. Diese bittet nicht leise und verschämt, sondern sie schreit und ist lästig, sie gibt keine Ruhe und bedrängt den Richter, der sich sogar körperlich von ihr bedroht fühlt, er könne sich von dieser rabiaten Armen noch ein blaues Auge einhandeln.
Sollen wir so zu Gott schreien? Dürfen wir mit Gott hadern, wie Hiob das getan hat? Über ihn oder gar mit ihm schimpfen, wenn uns sein Schweigen und scheinbares Zuschauen zur Verzweiflung bringt?
Eines ist sicher: Das gefällt Gott mehr, als einfach zu verstummen. Den Hiob, den Dulder unvorstellbaren Leidens, hat Gott dafür gelobt, dass er mit Ihm gestritten hat. Aber wagen wir es, so mit Gott zu reden? Oft wird gesagt: "Wie kann ein guter Gott solches Leid zulassen? Frage das nicht dich, frage es Gott! Rüttle an Gottes Tür, an Seinem Herzen, wie diese Witwe an der Tür des Richters. Jesus zeigt, dass das ein Gebet ist, das Gottes Herz bewegt.
"Unverzüglich" werde Gott helfen. So sagt Jesus. Aber stimmt das? Unsere Wallfahrtsorte sind voll mit Dankestafeln, dass Gott geholfen habe. Glaube ich das? Schwindet dieser Glaube, der das Leben unserer Vorfahren getragen hat? Wird Christus noch Glauben auf Erden finden? Wird Er ihn bei mir finden? Darum sollen wir beten!
Jesus sagte ihnen durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten:
In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm.
In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Feind!
Lange wollte er nichts davon wissen.
Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; trotzdem will ich dieser Witwe zu ihrem Recht verhelfen, denn sie lässt mich nicht in Ruhe. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.
Und der Herr fügte hinzu: Bedenkt, was der ungerechte Richter sagt. Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern?
Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen.
Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde (noch) Glauben vorfinden?