Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, ....
Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, ....
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum 4. Adventsonntag 19. Dezember 2004
(Mt 1,18-24)
"Gott kann doch keinen Sohn haben! Er ist ja nicht ein Mensch." Das sagte mir vor einiger Zeit ein muslimischer Taxifahrer, der von sich aus begann, mit mir über religiöse Fragen zu sprechen. Tatsächlich ist das wohl der Punkt, an dem der Islam, aber auch viele andere am entschiedensten dem Christentum widersprechen. Wie könnt ihr sagen, ihr glaubt an einen Gott, und sagt dann doch, dass Jesus Christus Gottes Sohn sei? Gibt es also zwei Götter, oder gar drei, mit dem Heiligen Geist?
Und doch ist genau das der Glaube, den die Christen zu Weihnachten bekennen: Dieses Kind, das Maria geboren hat, ist Gottes ewiger Sohn, Mensch geworden durch den Heiligen Geist, geboren von Maria der Jungfrau.
Manche "modern" denkende Geister empfehlen, das alles symbolisch zu verstehen: Jesus sei ein besonderer Mensch, ein großer Prophet gewesen. Das lehrt auch der Koran. Die Bibel nenne ihn "Sohn Gottes", um seine innige Nähe zu Gott auszudrücken. Seine Geburt aus der Jungfrau sei ein Symbol für seine von Gott empfangene Berufung und Sendung. So versuchen manche, Jesus für unsere Zeit "annehmbarer" zu machen.
Dieser Versuch muss scheitern. Er stößt auf harte Tatsachen, um die nicht herumzukommen ist. Joseph, der Verlobte Marias, war der Erste, der damit konfrontiert wurde. Er musste unausweichlich Stellung nehmen. Faktum war: Seine Verlobte wurde schwanger, aber er war nicht der Vater. Was ging in ihm vor? Schmerz, Enttäuschung über die, von der er nie gedacht hätte, dass sie ihn jemals betrügen würde. Aber hat sie ihn betrogen? Was ist geschehen?
Wir ahnen, welche inneren Kämpfe Joseph durchgemacht hat. Maria in aller Stille entlassen: Darin sieht er die Lösung. Würde er sie öffentlich des Ehebruchs beschuldigen, dann wäre sie der Tötung durch Steinigung ausgeliefert. Trotz der Enttäuschung will er Maria schützen. Lieber still selber leiden, als sie bestrafen.
Im Traum wird ihm etwas gesagt, was er sich nicht hätte träumen lassen: Dieses Kind, das deine Verlobte erwartet, ist nicht Frucht eines Seitensprunges, einer Untreue, sondern es "ist vom Heiligen Geist". Kein anderer Mann steht dahinter, sondern Gott selber. Und noch etwas wird ihm im Traum eingegeben. Er soll das Kind "Jeschua", "Jesus" nennen, das heißt "Gott rettet", "denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen".
Wie ging es Joseph wohl, als er aufwachte? Das Evangelium schweigt über seine Gedanken. Es nennt nur seine Taten. Joseph nimmt Maria zu sich auf. Das heißt doch: Er vertraut der Traumbotschaft. Er vertraut seiner Verlobten. Er glaubt ihr und seinem Traum: Das Kind ist von Gott; es ist nicht sein Sohn, aber auch nicht der eines anderen, sondern Gottes Sohn. Joseph darf ihm Vater sein, im inneren Wissen um das Geheimnis dieses Kindes und seiner Mutter.
So war Joseph der Erste, der an das Geheimnis geglaubt hat, das wir zu Weihnachten feiern. Kann Gott einen Sohn haben? Nicht wie ein Mensch einen Sohn hat. Aber dass Er einen Sohn hat, daran hat Joseph geglaubt, als er das von Gott empfangene Kind in Armen hielt.
Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete - durch das Wirken des Heiligen Geistes.
Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in alle Stille von ihr zu trennen.
Während er noch darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.
Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns.
Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.