Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.
Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum Weihnachtsevangelium, 24. Dezember 2004,
(Lk 2,1-14)
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Wer ist da der Herr? Wer hat das Sagen? Der große Kaiser Augustus oder das kleine Kind in einer Krippe? Die damalige Welt war sich im Klaren, wie die Machtverhältnisse lagen. Der "Aktuelle Dienst", die "Zeit im Bild" der damaligen Weltöffentlichkeit nahm vom Geschehen in Bethlehems Stall keine Notiz. "Den ganzen Erdkreis" (so heißt es wörtlich) beherrschte damals Augustus. Schon er, und noch viel mehr seine Nachfolger, ließen sich als göttlich verehren. Tempel wurden ihnen geweiht und Gottestitel ihnen verliehen.
Zwei dieser Titel spricht das Evangelium klar einem anderen zu: Jesus, dem neugeborenen Kind armer Eltern, die zwar aus der Familie des Königs David stammten, aber außer dieser Ehre nichts besaßen. Boten Gottes, Engel, nennen das neugeborene Kind "Retter" oder "Heiland", und sie bezeichnen es als "Herr", was Gott allein als Titel zusteht.
Welches Konfliktpotenzial hinter diesen uns so vertrauten Worten steckt, ahnen wir erst deutlicher, wenn wir mit bedenken, wie sehr die Christen gerade deshalb vom Römischen Reich verfolgt wurden. Diktatoren haben es nie ertragen, dass jemand anderer als sie die ganze Macht haben soll. Am 7. Oktober 1938 hat Kardinal Innitzer vor 7.000 begeisterten jungen Katholiken im Stephansdom gesagt: "Jesus Christus ist unser Führer." Das haben die fanatischen Anhänger des "Führers" nicht ertragen und am nächsten Tag aus Rache das Erzbischöfliche Palais in Wien verwüstet.
Der vor wenigen Tagen plötzlich viel zu jung verstorbene Professor Carsten Peter Thiede hat sein letztes Buch, das ich gerade mit Begeisterung lese, diesem Konflikt gewidmet: "Jesus und Tiberius. Zwei Söhne Gottes". Unter Tiberius, dem Adoptivsohn des zum Gott erklärten Kaisers Augustus, wurde Jesus gekreuzigt, weil die römische Vormacht nicht dulden wollte, dass Jesus "König der Juden" sei. Zum Spott ließ Pilatus diesen Titel ans Kreuz heften.
"Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt." Daran sollten die armen Hirten den erkennen, dem himmlische Boten die göttlichen kaiserlichen Titel "Retter" und "Herr" gaben. Ein König in Windeln? Ein Retter, der als Neugeborenes in einem Futtertrog liegt? Das ist keine geringere Zumutung als die, in dem 33 Jahre später zwischen zwei Verbrechern Gekreuzigten den Sohn Gottes zu erkennen.
Und doch hat der christliche Glaube nie aufgehört, Gott in Krippe und Kreuz zu finden. Nicht in den Zeichen der Macht, sondern der Ohnmacht will Gott sich von uns Menschen suchen lassen. Und nur so wird "Friede auf Erden bei den Menschen Seiner Gnade". Das gilt unverändert, auch für Weihnachten 2004.
Kaiser Augustus ist vergessen. Er lebt nur in Geschichtsbüchern. Ebenso sein Nachfolger Tiberius. Das ohnmächtige Kind in der Krippe aber lebt. Der unter Tiberius Gekreuzigte lebt. "Und seiner Herrschaft wird kein Ende sein", so hat der Engel ihn Maria angekündigt. Unter Seiner Herrschaft ist gut sein. Wer sich ihm unterstellt, erfährt Glück und Frieden. Nur eines ist dazu nötig: wie die Hirten zur Krippe gehen und den in der Schwäche eines Kindes verborgenen Gott anbeten.
In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen.
So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete.
Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.
In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen, und der Glanz des Herrn umstrahlte sie.
Sie fürchteten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.
Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.
Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.