Es ist vollbracht!
Es ist vollbracht!
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum zum Karfreitag, 25. März 2005,
(Joh 19,16-35)
"Dort kreuzigten sie ihn." Vier knappe Worte für das, was Worte nicht fassen können. Der Evangelist Johannes war Zeuge des Geschehens. Als einziger unter den zwölf Aposteln war er nicht davongelaufen, hatte ausgeharrt mit Maria der Mutter des Gekreuzigten, und einigen Frauen. Sein Bericht ist völlig nüchtern. Fakten werden aufgelistet, keine Emotion wird genannt. Keines der Beiworte, die man heute erwarten würde: grauenhaft, schrecklich, blutig, quälend. Auch kein Wort über die Gefühle der Mutter, der Umstehenden. Ist diese "Sachlichkeit" herzlos? Im Gegenteil. Die knappen Worte, die einfache Beschreibung des Geschehens ohne jede Ausschmückung, wirken unvergleichlich stärker als alle Versuche, die Gefühle der Beteiligten auszuloten.
Es gibt einen einzigartigen "Zeugen" dieser Ereignisse des Karfreitags, der bis heute befragt werden kann, ja erst in den letzten Jahrzehnten richtig zum Sprechen gekommen ist: "Das Turiner Grabtuch." Unter diesem schlichten Titel erschien dieser Tage im Wiener Dom-Verlag ein Sammelband mit den Beiträgen von Wissenschaftlern, die sich unter verschiedenen Hinsichten mit dem rätselhaften Leinentuch von Turin befassen. Sie hatten sich auf Einladung der Wiener Katholischen Akademie im Erzbischöflichen Palais versammelt, um die neuesten Forschungsergebnisse zu präsentieren.
Liest man den Beitrag von Professor Baima Bollone, einem Gerichtsmediziner aus Turin, dann fühlt man sich an die Sprache der Johannespassion erinnert. Er listet einfach auf, was der erfahrene Gerichtsmediziner über die Qualen feststellen kann, die der Tote des Grabtuchs erlitten hat und deren Spuren sich dem Stoff eingeprägt haben. So schreibt er: "Der Körper des Mannes auf dem Grabtuch weist zahlreiche Verletzungen auf. Tatsächlich sind auf Vorder- und Rückenansicht viele Wunden zu sehen, die auf der ganzen Hautoberfläche verteilt sind." Besonders auffallend ist die große Blutmenge, die aus einer Seitenwunde ausgetreten ist, das von der Forschung als "postmortal", d.h. nach dem Tode heraus geflossen, erkannt wurde. "Das Gesicht weist zahlreiche Verletzungen in Form von Prellungen auf." Die deutlich sichtbare Nasenverletzung "wurde bei der Geißelung zugefügt".
"Der ganze Körper ist von insgesamt 120 Verletzungen überzogen … Man schreibt die Wunden einem Geißelungsinstrument zu, das aus mehreren mit doppelten, miteinander verbundenen Metallkugeln besetzten Lederriemen bestand."
Und der Gerichtsmediziner schließt seinen Befund: "Die auslösenden Faktoren für den Tod Jesu waren wahrscheinlich kardiale Läsionen, ein akuter Kreislaufzusammenbruch, mechanische Asphyxie oder das gleichzeitige Eintreten all dieser Mechanismen." Herz, Kreislauf Atmung haben versagt.
Heute können wir mit höchster Glaubwürdigkeit sagen: der Gekreuzigte, der im Turiner Grabtuch gelegen hat, kann nur Jesus gewesen sein. Die Passion, die er durchlitten hat, war unbeschreiblich grausam. Das Grabtuch bezeugt aber auch: Lange lag der Tote nicht darin. Er war sicher tot. Die Scheintodthese ist unhaltbar. Aber blieb er im Tod? Das Grabtuch weist keine Spuren davon auf, dass man ihn aus dem Tuch herausgenommen hätte. Ist er selber aus ihm "herausgetreten"? Alles spricht dafür. Der Osterglaube bekennt es: Du bist auferstanden und lebst. Für immer.
Er trug sein Kreuz und ging hinaus zur so genannten Schädelhöhe, die auf hebräisch Golgota heißt. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere, auf jeder Seite einen, in der Mitte Jesus.
Pilatus ließ auch ein Schild anfertigen und oben am Kreuz befestigen; die Inschrift lautete: Jesus von Nazaret, der König der Juden. Dieses Schild lasen viele Juden, weil der Platz, wo Jesus gekreuzigt wurde, nahe bei der Stadt lag.
Die Inschrift war hebräisch, lateinisch und griechisch abgefasst.
Die Hohenpriester der Juden sagten zu Pilatus: Schreib nicht: Der König der Juden, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben.
Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz geschlagen hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen. Sie nahmen auch sein Untergewand, das von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht war. Sie sagten zueinander: Wir wollen es nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll.
So sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilten meine Kleider unter sich und warfen das Los um mein Gewand. Dies führten die Soldaten aus.
Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.
Danach, als Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war, sagte er, damit sich die Schrift erfüllte: Mich dürstet. Ein Gefäß mit Essig stand da. Sie steckten einen Schwamm mit Essig auf einen Ysopzweig und hielten ihn an seinen Mund.
Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und gab seinen Geist auf.