Am Ende steht das Leben, nicht der Tod. Nach dem Karfreitag kommt der Ostermorgen, nach Leid und Tod das neue Leben.
Am Ende steht das Leben, nicht der Tod. Nach dem Karfreitag kommt der Ostermorgen, nach Leid und Tod das neue Leben.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum Festtagsevangelium am Ostersonntag, 27. März 2005,
(Joh 20,1-18)
Kein Sonntag ist wie dieser: der Ostertag! Alle Sonntage sind wie dieser: der wöchentliche Ostertag! Was der Sonntag bedeutet, zeigt uns der Ostertag. Darum ist der Ostersonntag sozusagen "der Sonntag aller Sonntage". Was heute, an Ostern, gefeiert wird, ist auch der Sinn jeden Sonntags: Jesus ist auferstanden. Das Grab ist leer. Der Tod ist zum ersten Mal endgültig besiegt. Er wird am Ende nicht siegen. Am Ende steht das Leben, nicht der Tod. Nach dem Karfreitag kommt der Ostermorgen, nach Leid und Tod das neue Leben.
Wenn man mir am Freitag "ein schönes Wochenende" wünscht, antworte ich immer: "Schönen Sonntag - und eine guten Samstag dazu!" Denn im christlichen Sinn ist der Sonntag nicht Ende, sondern Anfang: "Am ersten Tag der Woche…", heißt es im Evangelium. Für die Juden war und ist der Sabbat - am Samstag - das Ende der Woche, der Ruhetag Gottes und der Menschen.
Am Sabbat steht die Arbeit. Am Sabbat ruhte auch Jesus im Grab. Am frühen Morgen des ersten Tages der neuen Woche kommt Maria Magdalena zum Grab. Die Trauer zieht sie hin, die Liebe zu Jesus, der ihr wie kein anderer Menschen im Leben geholfen hat. Keiner hat sie verstanden wie er. Durch ihn ist sie von ihren Besessenheiten frei geworden. Als eine der wenigen ist sie bis zum Kreuz mitgegangen, hat bei ihm in seiner Todesqual ausgeharrt.
Manche können sich die Liebe zwischen Jesus und Magdalena nur als "Verhältnis" vorstellen. Wilde Spekulationen werden als Weltbestseller verkauft. Maria von Magdala sei mit Jesus verheiratet gewesen. Die (böse) Kirche habe diese Wahrheit unterdrückt. Findige Leute behaupten, sie seien dennoch hinter das Geheimnis gekommen. Wer ihnen glauben will, wird sich kaum vom Evangelium überzeugen lassen. Es spricht von einer anderen, seelischen Liebe. Wer diese Liebe Jesu, diese Liebe zu Jesus kennen gelernt hat, kann bezeugen, dass es sie gibt.
Maria Magdalena hat sie kennen gelernt. Unvergleichlich zart kommt sie in der Begegnung der beiden im heutigen Evangelium zum Ausdruck. Sie sucht Jesus. Wenigstens seinen Leichnam. "Frau, warum weinst du?" Die Frage der beiden himmlischen Boten trägt in sich die Antwort: Weil er, den sie liebt, nicht da ist. Nicht einmal sein Leichnam. Das Grab ist leer. Zu allen Schrecken und Leiden auch noch das: "Man hat meinen Herrn weggenommen." Da steht ein Unbekannter, vielleicht der Gärtner: "Hast du ihn weggebracht?" Wo ist ihr Jesus? Noch sieht sie ihn nicht. Aber bald wird sie ihn erkennen. "Frau, warum weinst du?" Reines Mitgefühl! Bedenken wir: Es sind die ersten Worte des Auferstandenen. So begegnet Jesus den Menschen: mitleidend, Anteil nehmend.
Die Begegnung geschieht in dem Moment, als Jesus sie mit ihrem Namen anspricht: Maria! Da erkennt sie ihn. Am Ton seiner Stimme? An seinem Blick? Mich berührt dieser Moment im Osterevangelium immer besonders. Es ist eine einzigartige "Liebesszene", nicht erotischer oder sexueller Art, sondern "von Seele zu Seele", von Herz zu Herz, von Gott und Mensch.
Solche Begegnung verwandelt. Maria Magdalena ist durch die Begegnung mit Jesus am Ostermorgen ein anderer Mensch geworden. Jetzt aber heißt es: "Halte mich nicht fest!" Wir Menschen wollen das Glück festhalten. Wir klammern uns aneinander. Jesus gibt ihr einen Auftrag: "Geh zu meinen Brüdern" und sage ihnen, dass ich lebe. Magdalena soll ihre Liebe zu Jesus teilen, mitteilen, andere zu Ihm führen. Das ist der Sinn von Ostern. Jeder Sonntag erinnert daran. Jeden Sonntag sind wir eingeladen, Jesus zu begegnen, uns beim Namen nennen zu lassen, neu zu beginnen und anderen Ostern weiterzusagen. Damit fängt eigentlich die Woche gut an!
Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war.
Maria stand draußen vor dem Grab und weinte. Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein. Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten.
Die Engel sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat.
Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen.
Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich ihm zu und sagte auf hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister. Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern, und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.
Maria von Magdala ging zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie richtete aus, was er ihr gesagt hatte.