Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den Sonntag der Barmherzigkeit,
2. Sonntag der Osterzeit,
Weißer Sonntag 3. April 2005,
(Joh 20,19-31)
Sie hatten die Türen fest verschlossen. Sie hatten Angst, und das nicht ohne Grund. Hat man ihren Meister festgenommen, warum sollten dann sie ungeschoren davonkommen? „Bist du nicht auch einer seiner Anhänger?“ Diese Frage der Magd im Hof des Hohenpriesters hatte Petrus dermaßen erschreckt, dass er seinen Meister verraten hat.
Angst um das eigene Leben! Wie viele Menschen haben das durchlitten, in der Nazizeit, im Kommunismus, in allen Diktaturen! Ich wehre mich immer gegen die vorschnelle Verurteilung durch Menschen, die nie solche Situationen erlebt haben. Wie hätte ich reagiert, wenn KZ, Folter, Tod mich bedroht hätten? Heldenhaft war es nicht, dass die Apostel ihren verehrten und geliebten Meister im Stich gelassen haben. Beschämend war es, dass sie alle (außer Johannes) beim Kreuz gefehlt haben. Noch beschämender war es, dass sie sich nicht einmal um seinen Leichnam gesorgt haben. Wäre nicht Joseph von Arimathäa und Nikodemus eingesprungen, die Leiche Jesu wäre einfach in ein Massengrab geworfen worden.
Angst erklärt vieles, auch wenn sie es nicht entschuldigt. Alle sollen wir uns angesichts der furchtsamen Apostel fragen, wo unsere eigenen Ängste bewirken, dass wir uns lieber zurückziehen, wegschauen, nichts wissen wollen, weil wir nicht den Mut haben, uns zu Bedrängten, Verfolgten, ungerecht Behandelten hinzustellen und das Risiko der Solidarität einzugehen. Wenn wir ehrlich mit uns selber sind, werden wir vorsichtig im Urteil über andere, die angeblich aus Feigheit versagt haben.
Jesus verurteilt seine Leute nicht, obwohl er allen Grund dazu hätte. Ohne Vorwürfe ist er plötzlich da, an diesem Abend des Ostertages, und eine Woche später wieder: „Friede euch!“ „Schalom“ – so ist noch heute der jüdische Gruß. Und was Er sagt, das bringt Er auch. Sein Kommen vertreibt die Angst. Wie oft hatten sie das erlebt, als sie noch mit Ihm unterwegs waren. Mitten im Seesturm, in der panischen Angst unterzugehen, bringt Er Ruhe und Frieden. So ist es auch jetzt wieder. Kaum ist Er in ihre Mitte getreten, kommt Freude auf. Die Angst ist wie weggeblasen. Sie haben wieder Zuversicht und Vertrauen gefasst.
Nur einer ist noch nicht so weit: Thomas, der am Osterabend nicht dabei war. Sie können ihm noch so sehr von ihrer Begegnung mit Jesus erzählen, er kann es nicht glauben. Er bleibt skeptisch, zweifelnd, ungewiss. Ich denke, es geht uns immer wieder ähnlich wie Thomas. Wie oft klagen Eltern, dass sie ihren Kindern den Glauben nicht weitergeben können. Man kann den Glauben vorleben, bezeugen, davon reden. Aber den persönlichen Schritt des Glaubens können wir den anderen nicht abnehmen. Den muss jeder selber tun!
Den Aposteln hat Jesus ihre Angst und ihr Versagen verziehen. Sie haben es ihm mit Treue und Glauben gedankt und alle für Ihn ihr Leben gegeben. Selig, wenn wir es auch so tun!
Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen.
Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.
Thomas, genannt Didymus - Zwilling -, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen.
Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.
Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott!
Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Noch viele andere Zeichen, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.