er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus.
er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 4. Sonntag der Osterzeit am 17. April 2005,
(Joh 10,1-10)
Wir stehen unmittelbar vor dem Konklave, das den nächsten Papst wählen soll. Es fügt sich gut, dass heute der "Gut-Hirten-Sonntag" ist. Jesus spricht von sich selber als dem Hirten, der seine Schafe kennt und für sie sein Leben einsetzt. Genau das erwarten, erhoffen wir vom künftigen "Oberhirten" der Kirche. Wichtiger als alle anderen Qualitäten, die der Papst auch haben sollte, ist die eine: dass er ein guter Hirte sei.
Als ich 1991 Weihbischof von Wien wurde, schrieb mir ein junger Priester, der mein Student gewesen war, einen mir unvergesslichen Brief. Robert I. stammt aus dem Lötschental im Oberwallis in der Schweiz. Als Kind und Jugendlicher war er oft tagelang alleine mit der Schafherde seines Vaters auf den Bergwiesen. Was er mir damals über den guten Hirten schrieb, passt so genau zum heutigen Evangelium und zur bevorstehenden Papstwahl, dass ich einfach daraus zitiere. Möge Gott uns im nächsten Papst wieder einen Hirten nach seinem Herzen schenken! Und nun der Brief von Robert:
"Ich habe mir einige kleine Gedanken gemacht über das Bischofsamt. Ohne belehrend sein zu wollen, möchte ich Ihnen einen Gedanken mitteilen, der auf der Erfahrung beruht, die ich als Hirtenknabe mit den anvertrauten Schafen in den Walliserbergen gemacht habe: Jede Herde braucht einen guten Hirten! Ihm steht es frei, der Herde voranzuschreiten oder hinter ihr herzulaufen. Nur muss er wissen, wann er das eine oder das andere tun darf und muss. Geht der Hirte der Herde nur voraus, riskiert er, dass ihm einige Schafe verloren gehen; geht er nur hinterher, kann es sein, dass sich die Herde zerstreut.
Öfters muss er sich an den Schluss der Herde begeben, dort wird er sehen, welche seiner Schafe lahm und müde, welche verletzt und erschöpft sind, welche getragen und verarztet werden müssen. Steht er am Ende der Herde, braucht er nicht unbedingt ängstlich zu sein, dass die Herde sich verirrt. Durch seine Stimme kann er die Herde auch von hier aus leiten und führen, gute Leittiere werden ihm dabei behilflich sein.
Und oftmals geht die Herde seltsame Wege, die der Hirt von sich aus nicht gehen würde. Aber einmal glücklich und über Umwegen ans Ziel gelangt, versteht er, wenn er einen Blick zurückwirft, dass dieser von der Herde eingeschlagene Weg für alle 'gangbar' gewesen ist. Das Schreiten hinter den Schafen her setzt voraus, dass der Hirt der Herde und die Herde dem Hirten voll und ganz vertrauen kann!
Die heilige Schrift und auch Jesus selbst braucht dieses Bild vom Hirt und der Herde oft. Und kein Bild scheint mir besser aufzuzeigen, wie die Beziehung zwischen Bischof und den ihm anvertrauten sein sollte: Führen und geführt werden; leiten und geleitet werden, begleiten und begleitet werden, vertrauen und getragen werden von den Anvertrauten.
Wer heute sein ehrliches Ja zur Übernahme des Priesteramtes und auch des Bischofsamtes spricht, nimmt eine ganz und gar nicht leichte Bürde auf. Niemand wird heute so scharf angeschossen, wie der, der sich für seine ihm anvertraute Herde sorgt und im Ernstfall auch zu wehren weiß. Nicht ohne Grund habe ich die Worte des jungen Salomo auf die Rückseite meines Primiz-Andenkens drucken lassen 'Herr, verleih deinem Knecht ein weises und hörendes Herz'. Dasselbe erbitte ich auch für Sie, denn die in Sie gesetzten Hoffnungen und Erwartungen zu erfüllen, ist oftmals nicht leicht. Es bedarf der schützenden und segnenden Hilfe von oben. Der Geist Gottes erhellt unseren Geist, er weist uns den Weg, vorausgesetzt, dass wir die 'Ohren unseres Herzens' öffnen für seine Botschaft."
In jener Zeit sprach Jesus: Amen, amen, das sage ich euch: Wer in den Schafstall nicht durch die Tür hineingeht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber.
Wer aber durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe. Ihm öffnet der Türhüter, und die Schafe hören auf seine Stimme; er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus. Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus, und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme.
Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme des Fremden nicht kennen.
Dieses Gleichnis erzählte ihnen Jesus; aber sie verstanden nicht den Sinn dessen, was er ihnen gesagt hatte.
Weiter sagte Jesus zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen. Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber; aber die Schafe haben nicht auf sie gehört.
Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.