Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott, und glaubt an mich! Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen.
Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott, und glaubt an mich! Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 5. Sonntag der Osterzeit am 24. April 2005,
(Joh 14,1-12)
Es sind Worte des Abschieds. Es ist der letzte Abend, den Jesus auf Erden mit seinen Jüngern verbringt. Bald schon folgen die Gefangennahme, die Verurteilung, Spott, Geißelung, Kreuztragen und der Tod am Kreuz. Jesus nimmt Abschied. Er tröstet und ermahnt. Er macht Mut und zeigt den Weg, den sie nach seinem Weggang gehen sollen. Es sind Worte der Wegweisung für alle, die auch später noch ihm nachfolgen werden. Deshalb sind sie bis heute gültig.
Die erste Mahnung ist ganz aktuell: „Euer Herz verwirre sich nicht!“ Wie leicht lässt sich das Herz wirr und ängstlich machen. So viele Einflüsse bedrängen uns, all das, was „man“ so hört und sagt, was öffentliche Aufregung bringt. Es geht nicht so sehr um den kühlen Kopf, als um das klare Herz
Damit das Herz klar und fest bleibt, auch in wirren Zeiten, weist Jesus einen Weg: „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ Macht euer Herz an Gott fest! Vertraut auf Gott, vertraut auf Christus! Der Glaube macht das Herz sicher, gibt ihm Halt, lässt es nicht bei jeder Erschütterung umfallen.
Worauf sollen wir vertrauen? Vor allem darauf, dass der Tod nicht das Ende ist. Die folgenden Worte gehören zu den schönsten, trostvollsten, die Jesus uns geschenkt hat: „Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten.“
Für mich haben diese Worte einen ganz besonderen Klang. Sie erinnern mich an unsere erste eigene Wohnung nach dem Krieg. Fünf Jahre lang hatten wir als Flüchtlinge immer irgendwo bei Verwandten ein barmherziges Quartier gehabt. Endlich ein eigenes Zuhause. Die Mutter war vorausgefahren, die Wohnung herzurichten. Dann kam sie, uns zu holen. Mir ist der Moment unvergesslich, als wir in die Wohnung kamen. Obwohl sie klein und sehr einfach war, kam sie mir prächtig vor. Als wäre es heute, ist mir dieses Gefühl gegenwärtig: Hier sind wir daheim.
Inzwischen weiß ich, dass keine irdische Heimat für immer hält. Wir sind auf dieser Erde Pilger. Jesus spricht deshalb von einer anderen Heimat, vom Haus seines Vaters, in dem es viele Wohnungen gibt. Jesus ist uns – durch seinen Tod und seine Auferstehung – vorausgegangen. Wenn es Zeit ist, wird Er kommen und uns zu sich nach Hause mitnehmen. Dort werden wir für immer mit Ihm beisammen sein.
Was aber ist bis dahin? Sind wir hier in einem schäbigen, kalten Wartesaal, bis endlich der Zug in die ewige Heimat abfährt? Jesus zeigt dem zweifelnden, fragenden Thomas den Weg zum Ziel: „Ich bin der Weg.“
Jesus selber ist der Weg. Er zeigt ihn nicht nur. Er ist selber Weg und Ziel. Wer mit Ihm geht, ist schon ans Ziel gelangt. Denn Jesus kann das höchst gewagte Wort sagen: „Ich bin die Wahrheit“; nicht eine Theorie, eine Lehre, sondern Er selber als Person ist die Wahrheit. Und noch kühner: „Ich bin das Leben.“ Was jeder von uns ersehnt, das Leben, das volle, erfüllte Leben, ist nicht im „Wellnesspaket“ zu finden, sondern in Ihm.
Das wirklich zu glauben, ist eigentlich eine starke Zumutung. Und doch ist das wirklich der Kern des christlichen Glaubens: Wer Jesus findet, entdeckt nicht nur einen Weg unter anderen, sondern den Weg zum Leben. Und wer diesen Weg zu gehen versucht, hat das Ziel schon gefunden. Ich glaube, das ist der Grund, warum der verstorbene Papst Johannes Paul II so vielen, besonders auch jungen Menschen, das Gefühl von Geborgenheit gegeben hat, von Vertrauen und „Zuhause“.
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott, und glaubt an mich! Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen.
Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr.
Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin die gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?
Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Schon jetzt kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.
Philippus sagte zu ihm: Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns. Jesus antwortete ihm: Schon so lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du sagen: Zeig uns den Vater? Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch sage, habe ich nicht aus mir selbst. Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke. Glaubt mir doch, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist; wenn nicht, glaubt wenigstens aufgrund der Werke!
Amen, amen, ich sage euch: Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen, und er wird noch größere vollbringen, denn ich gehe zum Vater.