Nicht auf das Ja Sagen, sondern auf das Tun kommt es an.
Nicht auf das Ja Sagen, sondern auf das Tun kommt es an.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 26. Sonntag im Jahreskreis, 25. September 2005
(Mt 21,28-32)
Die Kirche wird viel kritisiert, besonders in unserem Land. Gründe dafür findet man immer. Oft ist das Urteil ungerecht, allzu oft aber ist es berechtigt. Jesu Kritik an den damaligen religiösen Autoritäten war freilich oft noch viel schärfer als so manche heutige Kirchenkritik. Unerbittlich geißelt er die Fehlhaltungen der „Hohenpriester und Ältesten des Volkes“, der „Pharisäer und Schriftgelehrten“. Kein Wunder, dass er sich ihren Hass zuzog, der schließlich zu seinem Tod führte.
Man mag einwenden: Jesus kritisiert doch nicht „die Kirche“, die er ja erst am Aufbauen ist, sondern die religiösen Führer seines jüdischen Volkes. Das stimmt. Aber seine Worte warnen vor Fehlentwicklungen, die es auch in seiner Kirche geben wird und die es auch schon gab, als Matthäus sein Evangelium niederschrieb.
Ein Mann hatte zwei Söhne (wörtlich „Kinder“). Den einen spricht er liebevoll an: „Kind, geh’ heute in den Weinberg arbeiten.“ Es ist ein Befehl, aber nicht barsch vorgebracht, sondern als Bitte. Umso erstaunlicher ist die Antwort: „Ich gehe, Herr.“ Er spricht den Vater mit „Herr“ an, als wäre er ein zu fürchtender Tyrann und nicht sein eigener Vater. Er sagt Ja - und tut Nein. Zwischen Reden und Tun klafft ein Abgrund. Wie oft hat Jesus das zur Sprache gebracht. Besonders schlimm ist das bei denen, die religiöse Autoritäten sind. Wer viel predigt, ist hier besonders gefährdet. Wenn das Leben nicht mit dem übereinstimmt, was gepredigt wird, ist die schönste Predigt vergeblich. Sie wird zum Ärgernis, und die Leute sagen zu Recht: Er predigt Wasser und trinkt Wein.
Wie anders ist der zweite Bruder. Seine Antwort auf die Bitte des Vaters ist rüpelhaft, trotzig, „wurstig“: „Ich will nicht!“ So antwortet man nicht dem eigenen Vater. Dieses Verhalten ist ausgesprochen „unerzogen“. Aber es ist ehrlich. Er hat keine Lust, und er sagt es. So ehrlich er seine Unlust herauslässt, so ehrlich ist er aber auch sich selber gegenüber. Er spürt ein Unbehagen, er hat ein schlechtes Gewissen. Es reut ihn, dass er sich so benommen hat. Ohne viele Worte geht er doch an die Arbeit.
Nicht auf das Ja Sagen, sondern auf das Tun kommt es an. Die Schlussfolgerung Jesu bleibt eine harte Nuss: „Die (verhassten) Zöllner (die Steuereintreiber) und die Prostituierten gehen euch voraus in das Reich Gottes.“ Denn sie haben zwar in ihrem Leben oft Nein gesagt zu Gottes Geboten, aber sie haben Reue im Herzen gehabt und haben ihr Leben geändert.
Das musste provozieren. Damit hat Jesus sich nicht Freunde geschaffen. Aber er will nicht vor den Kopf stoßen. Er will, dass gerade die religiösen Autoritäten, der Juden damals, der Kirche heute, glaubwürdig seien. Dass ihr Leben mehr sagt als ihre Worte. Dass sie leben, was sie predigen.
Wo das geschieht, sind die Hirten eine Freude für die Menschen. Wie sehr hat Jesus sich eine solche Kirche gewünscht. Dafür hat er ja sein Leben eingesetzt. Dafür ist er gestorben. Und dafür gibt er ständig seinen Heiligen Geist.
Übrigens: Das kleine Gleichnis von den beiden Söhnen gilt nicht nur für „die da oben“ in der Kirche. Es trifft und betrifft jeden. Um Taten und nicht nur Worte geht es bei uns allen.
In jener Zeit sprach Jesus zu den Hohenpriestern und den Ältesten des Volkes: Was meint ihr?
Ein Mann hatte zwei Söhne. Er ging zum ersten und sagte: Mein Sohn, geh und arbeite heute im Weinberg! Er antwortete: Ja, Herr!, ging aber nicht.
Da wandte er sich an den zweiten Sohn und sagte zu ihm dasselbe. Dieser antwortete: Ich will nicht. Später aber reute es ihn, und er ging doch.
Wer von den beiden hat den Willen seines Vaters erfüllt? Sie antworteten: Der zweite. Da sagte Jesus zu ihnen: Amen, das sage ich euch: Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.
Denn Johannes ist gekommen, um euch den Weg der Gerechtigkeit zu zeigen, und ihr habt ihm nicht geglaubt; aber die Zöllner und die Dirnen haben ihm geglaubt.
Ihr habt es gesehen, und doch habt ihr nicht bereut und ihm nicht geglaubt.